© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Marokkaner-Hinweis mit Folgen
Niederlande: Oppositionspolitiker Geert Wilders wittert „Schauprozeß“ und twittert von Betrug / Unstimmigkeiten bei Zeugenaussagen
Mina Buts

Eigentlich hatte sich die niederländische Staatsanwaltschaft den in dieser Woche beginnenden Prozeß gegen Geert Wilders, den Vorsitzenden der islamkrischen Partei PVV, etwas anders vorgestellt. Aufgrund seiner Forderung, weniger Marokkaner im Land haben zu wollen, ist er wegen „Anstiftung zum Rassenhaß“ angeklagt. Dies wurde jedoch – um eine Verurteilung auch sicher zu gewährleisten – noch um die Anstiftung zu Rassendiskriminierung, Beleidigung und Provokation erweitert. 

Mögliche, aber unübliche Folge wäre bei einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren, meist ersetzt durch eine empfindliche Geldbuße. Für den oppositionellen Wilders käme ein Urteilsspruch dem Ende seiner politischen Karriere gleich, denn er ist nicht nur der Parteivorsitzende der PVV, sondern gleichzeitig auch deren einziges Mitglied. Die niederländischen Regierungsparteien hingegen hätten sich ihren größten Konkurrenten vom Hals geschafft. Denn nach aktuellen Umfragen liegt die PVV weit vor den regierenden Liberalen der VVD und den Sozialdemokraten der PvdA. Beide zusammen könnten auf 31 Sitze im Parlament hoffen, während der PVV 38 Sitze prognostiziert werden.

Schon im Oktober 2015 mutmaßte Wilders daher, es handle sich um eine Art politischen Schauprozeß: „Das Urteil gegen mich steht schon fest“, so Wilders. 

Unverhoffte Schützenhilfe für Wilders kam nun von den Zeugen der Anklage selbst. 6.400 Anzeigen waren gegen Wilders wegen seiner Aussage im März vergangenen Jahres eingegangen, einen Teil davon hat die Staatsanwaltschaft bereits angehört. Wilders Anwalt, Geert-Jan Knoops, hat nun gerichtlich Akenteinsicht erstritten und tatsächlich durfte er fünfzehn nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Zeugen ebenfalls unter Eid befragen. Das erstaunliche Ergebnis: Bei mehr als der Hälfte der Zeugen zeigten sich Unstimmigkeiten. 

Die niederländische Tageszeitung De Telegraaf, der die Ergebnisse dieser Befragung vorlagen, berichtete, daß die großen Moscheen des Landes eine aktive Rolle beim Erstellen der Anzeigen gehabt haben. So stammten allein 1.200 Anzeigen aus der Haager Al-Sunnah-Moschee. Dort wären die Anzeigen gegen Wilders gleich Vordrucken ausgeteilt worden und die Anwesenden zur Unterschrift aufgefordert worden: „Ich dachte, ich sollte wählen“, wird ein Zeuge von dort zitiert. Auch seien auf einigen Polizeidienststellen, namentlich in Delft und Tilburg, die Polizisten selbst aktiv geworden, hätten die Formulare der Anzeigen ausgefüllt und diese, ohne sie noch einmal vorzulesen, zur Unterschrift vorgelegt. 

Dabei übersahen sie offenbar, daß die Anwesenden zum Teil kein Niederländisch verstanden, zum Teil sogar Analphabeten waren. Ein weiterer Befragter wunderte sich, daß Wilders angeklagt ist: „Warum soll er vor einem Richter erscheinen? Ich weiß es nicht.“ Ein weiterer Zeuge erklärte, er fühle sich keinesfalls diskriminiert, „ich wollte nur keinen Ärger“, deshalb habe er eine Anzeige unterschrieben.

 Die Reaktion von Wilders blieb nicht aus: „Schockierend! Falsche Beschuldigungen, Täuschung, Beeinflussung, Einschüchterung, Schwindel, das politische Verfahren auch betrügerisch!“ twitterte er am Wochende. Angedacht wird von Wilders Verteidigung, nun doch alle 6.400 Zeugen einzeln anzuhören, das Verfahren zöge sich dann allerdings über Jahre hin. Wilders Siegeszug täte das keinen Abbruch.