© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Das kleinere Übel
US-Wahlkampf: Wirtschaftsvertreter sind peinlich berührt von Trump, doch die Aussicht auf Clinton oder Sanders schreckt noch mehr ab
Thomas Kirchner

In Deutschland ist Wahlkampf ein kostspieliges Geschäft: 151,4 Millionen Euro gaben die etablierten Parteien im Bundestagswahljahr 2013 aus. Finanzieren mußten das zum überwiegenden Teil die Steuerzahler und jeweiligen Parteimitglieder. Andererseits ist das vergleichsweise wenig: In den USA ist der Stimmenkampf ein Milliardengeschäft. Allerdings sind die Kandidaten dort in der Regel hauptsächlich auf Spenden angewiesen – Ausnahmen waren 1992 der unabhängige Präsidentschaftskandidat und IT-Unternehmer Ross Perot oder der New Yorker Ex-Bürgermeister und Medienmogul Michael Bloomberg.

Investoren wie George Soros setzen auf die Demokratin

Laut New York Times führt derzeit Hillary Clinton mit 188 Millionen Dollar die Spendenhitliste an. Es folgen der Republikaner Ted Cruz mit 104,2 und der Demokrat Bernie Sanders mit 96,3 Millionen. Die größten dokumentierten Einzelsummen erhielt die führende Demokratin von den Investoren George Soros, Herbert Sandler (Golden West Financial-Gründer) und Donald Sussman (Paloma Funds) sowie der Saban-Familie (Medien, Immobilien). Cruz wurde von den Finanzinvestoren Robert Mercer und Toby Neugebauer sowie der Wilks-Familie (Ölförderer Frac Tech) mit Millionen unterstützt.

Für Donald Trump (Spendenbudget 27,3 Millionen) ist laut NYT bislang nur eine fremde Millionenzuwendung dokumentiert, sie kam von dem Immobilienunternehmer Phil Ruffin (Treasure Island Hotel and Casino/Las Vegas). Das überrascht nicht, denn viele Wirtschaftsvertreter sind peinlich berührt von den Wahlkampfauftritten des bislang führenden Republikaners. Ähnlich skeptisch sahen die alten Reagan-Republikaner vor 16 Jahren George W. Bush, mit dem – und seinen Neocons – sie sich genausowenig anfreunden konnten wie heute mit Trump. Doch die Alternative Clinton oder gar der US-Sozialist Sanders lösen auch keine Begeisterungsstürme aus – da ist Trump für viele in der Wirtschaft das kleinere Übel. Umfragen zeigen, daß die Amerikaner Trump mehr wirtschaftliche Kompetenz zutrauen als Clinton oder gar Sanders.

Trump-Gegner hämen, er habe kein Programm. Wohlwollende sagen, er konzentriere sich aufs Wesentliche, anstatt zu jedem Randthema eine vorgefertigte Phrase auswendig zu lernen. Der Milliardär könnte sich die besten Berater leisten – etwa die Gruppe um den Vermögensverwalter Rich Lowrie. Diese hatte 2012 zuerst den schwarzen Tea-Party-Republikaner Herman Cain (erfolgreicher Sanierer von Godfather’s Pizza) beraten und dessen „9-9-9“-Plan konzipiert, wonach die Steuersätze einheitlich auf je neun Prozent für Einkommen-, Mehrwert- und Unternehmenssteuer reduziert werden sollten. Nachdem Cain über eine angebliche Sexaffäre gestolpert war,  heuerte die Truppe bei Newt Gingrich an, der letztlich Mitt Romney unterlag. Trump soll ein Lowrie-Angebot abgelehnt und seinen Wirtschaftsplan kurzerhand selbst konzipiert haben.

Daß Steuern bei Trump dennoch im Mittelpunkt stehen, überrascht nicht. Und im Gegensatz zu Sanders und Clinton will Trump die Sätze senken und die verhaßte Dreifachbesteuerung durch die Erbschaftssteuer abschaffen. Unternehmenssteuersätze von nur 15 Prozent könnten sogar mit dem EU-subventionierten Irland mithalten. Nach Schätzungen der Washingtoner Tax Foundation könnte Trumps Steuerreform über zehn Jahre 5,3 Millionen Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaftsleistung um elf Prozent erhöhen. Die Pläne der Demokraten hingegen würden etwa ein Prozent des Bruttosozialprodukts und zwischen 311.000 (Clinton) und sechs Millionen (Sanders) Arbeitsplätze vernichten.

Sanders wie Trump agitieren gegen die Freihandelsabkommen (Nafta, TPP, TTIP). Trump will mit 45-Prozent-Zöllen China dazu zwingen, die Unterbewertung seiner „Volkswährung“ Renminbi zu beenden. Die Pekinger Währungsmanipulation ist in der Tat ein Problem – doch die richtige Lösung wäre eine komplette Freigabe des Handels durch die Chinesen, nicht ein niedriger, wieder willkürlich von Bürokraten festgesetzter Kurs. Immerhin liegt Trump näher am wirklichen Problem als Sanders, der den Freihandel komplett aufgeben will. Die ökonomische Gefahr besteht darin, daß Trump auf eine Weichwährungspolitik setzt, was niedrige Zinsen und einen schwachen Dollar zur Folge hätte. Richtig liegt Trump bei seinen Forderungen nach besserem Schutz geistigen Eigentums in China – deutsche Firmen können hierzu das gleiche Lied singen. In diesem Bereich kann sich Trump der Unterstützung durch die Wirtschaft sicher sein.

Auf dem Weg zum Erfolg mehrere Pleiten hingelegt

Genüßlich erwähnen Trump-Gegner dessen Pleiten oder Steuervergünstigungen für seine Immobilienprojekte – Subventionen, auf die jeder andere Bauherr genauso Anspruch hatte und die aus politischen Gründen die Immobilienwirtschaft fördern sollten. Trump ist Geschäftsmann, und kaum jemand in seinem Metier überlebte die 1980er Jahre ohne Insolvenz. Die Hypothekenbranche kennt das Problem: Kunden mit jahrzehntelanger Erfahrung hatten mit Sicherheit eine Pleite in den 1980ern.

Umgekehrt sind Kunden ohne Mißerfolge Anfänger, die noch nie eine Immobilienkrise erlebt haben. Daß ein erfolgreicher Unternehmer auf dem Weg zum Erfolg mehrere Pleiten hinlegt, ist in Deutschland kaum denkbar, in den USA jedoch keine Seltenheit. Daß Trump es trotzdem zweimal zum Multimilliardär schaffte, bringt ihm viel Respekt ein. Als Clown agiert Trump, wenn er behauptet, er könne Amerikas Staatsschulden neu verhandeln. Seine Drohung mit der Staatspleite nimmt niemand ernst.