© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Der Nachtclubtänzerin folgte die Diktatur
Vor vierzig Jahren putschte in Argentinien das Militär / Junta errichtete Foltergefängnisse und verschleppte Regimegegner
Wolfgang Kaufmann

Anfang der siebziger Jahre zog sich ein tiefer Riß durch die argentinische Gesellschaft. Sichtbarster Ausdruck dessen war der gewaltsame Machtkampf zwischen linken Gruppierungen wie der marxistischen Revolutionären Volksarmee (ERP), der sozialistischen Revolutionären Arbeiterpartei (PRT) sowie den Stadtguerillas der Movimiento Peronista Montonero auf der einen Seite und der rechtsextremen Alianza Anticomunista Argentina, genannt Triple A, auf der anderen Seite. 

Dazu kamen massive wirtschaftliche Probleme, die nicht zuletzt aus den zahlreichen wilden und organisierten Streiks resultierten, die das Land immer wieder lahmlegten. Daher sah die Regierung in Buenos Aires schließlich keinen anderen Ausweg mehr, als den 1955 gestürzten Diktator Juan Domingo Perón aus dem Exil zu holen und ihm – dem vermeintlich starken Mann – wieder ins Präsidentenamt zu verhelfen.

Allerdings starb Perón dann bereits am 1. Juli 1974, also nur neun Monate nach der erneuten Machtübernahme, wonach seine dritte Ehefrau María Estela Martínez, genannt Isabelita, die Staatsgeschäfte übernahm. Hierdurch verschlechterte sich die Situation in Argentinien weiter, weil die ehemalige Nachtclubtänzerin und spätere Vizepräsidentin von Peróns Gnaden  hoffnungslos überfordert war und die linksterroristischen Kräfte zusammen mit den Gewerkschaften und radikalen Studentenvertretern nun noch intensiver auf einen gewaltsamen Systemwechsel hinarbeiteten.

Chile und Uruguay als Vorbild für Militär-Junta

In dieser Situation stellte der Oberbefehlshaber der argentinischen Streitkräfte, Generalleutnant Jorge Rafael Videla, der inzwischen höchst unpopulären Staatschefin am 25. Dezember 1975 ein Ultimatum: Wenn sie die Lage nicht umgehend zum Besseren wende, werde das Militär die Initiative ergreifen – wie das in letzter Zeit bereits in Chile und Uruguay geschehen sei. Doch auch diese überdeutliche Warnung zeitigte keinerlei Konsequenzen, weshalb es dann zu dem angekündigten Sturz der Regierung von María Perón kam, der am Mittwoch, dem 24. März 1976, erfolgte.

Videla und seine Mitputschisten Admiral Emilio Massera und Brigadegeneral Orlando Ramón Agosti von der Luftwaffe sorgten zunächst dafür, daß der Hubschrauber der Präsidentin nicht zum Regierungspalast in Quinta de Olivos flog, sondern auf dem Militärflughafen von Palermo im Norden von Buenos Aires landete, wo „Isabelita“ formell für abgesetzt erklärt und unter Arrest genommen wurde. Anschließend löste die Junta das Parlament auf, suspendierte das Oberste Gericht des Landes, verbot alle Parteien und erklärte Videla zum neuen ersten Mann im Staat. Der wiederum kündigte sofort einen „Prozeß der Nationalen Reorganisation“ an, welcher der „Doktrin der nationalen Sicherheit“ folgen und auf die kompromißlose Bekämpfung aller linksorientierten Revolutionäre hinauslaufen werde – Videla sprach in diesem Zusammenhang ganz explizit davon, daß nun ein „Dreckiger Krieg“ (Guerra Sucia) gegen die „Subversiven“ anstehe.

Damit stieß der Generalleutnant zunächst auf die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung Argentiniens, weil das Chaos mittlerweile unerträgliche Ausmaße angenommen hatte. Letztlich verzichtete sogar die Kommunistische Partei (PCR) darauf, gegen den Putsch zu protestieren. Jedoch verlor die Militärregierung, deren Credo lautete: „Es müssen so viele Menschen wie nötig in Argentinien sterben, damit das Land wieder sicher ist“, bald jedwedes Maß, was die Bekämpfung echter und vermeintlicher Umstürzler betraf. So richtete sie 340 Folterzentren ein und ließ darüber hinaus geschätzte 30.000 Menschen „verschwinden“.

Andererseits wurden die linken Guerillabewegungen nun tatsächlich aufgerieben, weswegen Videla 1978 das „Ende des Krieges gegen den Terror“ verkünden konnte. Allerdings blieb die angestrebte nationale Gesundung Argentiniens aus, denn die Junta führte den Staat noch tiefer in die ökonomische Krise und zettelte den Falklandkrieg gegen Großbritannien an, der verlorenging. Deshalb mußte sie schließlich 1983 abtreten und den Weg für eine neue demokratische Regierung freimachen.