© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Knapp daneben
Verantwortung zahlt sich nicht aus
Karl Heinzen

Zweitausend Schulleiter aus dem ganzen Bundesgebiet fanden sich vor kurzem zu einer Konferenz in Düsseldorf zusammen. Ihre Lageanalyse war alarmierend. Immer mehr deutsche Schulen sind führungslos. Den Lehrern vergeht zusehends die Lust, sich für ein paar Euro mehr die Verantwortung des Rektorenpostens aufzubürden. Anders als man es in Zeiten gewohnt war, in denen das Bildungswesen noch eher dem Geist der „Feuerzangenbowle“ und weniger jenem von „Fack ju Göhte“ nahekam, bedeutet die Übernahme eines solchen Amtes nämlich weder einen Karrieresprung noch Prestigegewinn. Rektoren sind vielmehr die Deppen des Kollegiums, die bei etwas reduzierter Unterrichtsverpflichtung auch noch den Hausmeister und den Schulsekretär spielen dürfen.

Lehrer, die dankend abwinken, sind daher die besseren Pädagogen, weil sie um ihre Vorbildrolle wissen.

Besonders dramatisch ist die Situation an Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen. 40 Prozent der Rektorenposten sind hier vakant. Die Landesregierung in Düsseldorf scheint dies nicht zu beunruhigen. Wegen der demographischen Katastrophe und der geringen Reputation von Hauptschulen als Verwahranstalt für Verlierer werden viele von ihnen sowieso in nächster Zeit aufgelöst. Sorgen bereitet hingegen, daß auch an den NRW-Grundschulen zwölf Prozent aller Leitungsstellen nicht besetzt werden können. An ihnen drücken Kinder, die später an Gymnasien zu den Leistungsträgern unserer Gesellschaft emporgezüchtet werden, wenigstens für eine Weile gemeinsam mit dem gewöhnlichen Plebs die Schulbank. Ihrem Selektionsauftrag, nach vier Jahren die zukünftige Elite aus dem Pöbel herauszufiltern, können sie nur unter kompetenter Leitung gerecht werden.

Allerdings bietet die Führungslosigkeit von Schulen den Schülern auch die Chance, etwas fürs Leben zu lernen. Sie können erkennen, daß es sich meistens nicht lohnt, Verantwortung zu übernehmen. Viele Stellen, die als anspruchsvoll, spannend und damit erstrebenswert ausgegeben werden, bringen oft nur Arbeit, Streß und wenig Lohn. Lehrer, die dankend abwinken, wenn man ihnen den Posten des Rektors anträgt, sind daher vielleicht die besseren Pädagogen, weil sie um ihre Vorbildrolle wissen.