© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Topverdiener beim Industrie- und Handelskammertag
Öffentliche Selbstbedienung
Jörg Fischer

Wenn Martin Wansleben behauptet, EU-Grenzkontrollen kosteten zehn Milliarden Euro und 100.000 Arbeitsplätze, oder Hürden gegen Einwanderer aufzubauen, „wäre die völlig falsche Lehre aus dem gegenwärtigen Flüchtlingszustrom“, dann sagt er das, was sein Arbeitgeber und die Bundespolitik hören wollen. Vielleicht denkt er privat anders – aber mit 368.000 Euro, die der 57jährige als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) einstreicht, wird die Meinungsmache aber ordentlich bezahlt.

Der promovierte Volkswirt bekam damit über ein Drittel mehr als die Bundeskanzlerin. Wanslebens zwei Stellvertreter erhielten zusammen 490.000 Euro. Andere Verbandsgeschäftsführer verdienten im Schnitt nur 200.000 Euro, wie die jüngste Kienbaum-Vergütungsstudie verriet. Wenn die Kollegen beim Industrieverband BDI oder beim Arbeitgeberverband BDA ähnlich oder noch mehr verdienen, dann wäre daran nichts auszusetzen – Gehaltsobergrenzen mögen eine moralische Berechtigung haben, aber in einer freien Marktwirtschaft sind sie fehl am Platze.

Doch der DIHK ist keine Privatfirma, sondern die Spitzenorganisation der Industrie- und Handelskammern (IHKs). Und die 79 IHKs sind öffentlich-rechtliche Körperschaften. 3,6 Millionen gewerbliche Unternehmen aller Branchen und Größenklassen sind Mitglieder der IHKs – allerdings nicht freiwillig, sondern per Gesetz. Alle Klagen gegen den IHK-Zwang scheiterten bislang. Dahinter könnte System stecken. Denn schon seit Mitte der neunziger Jahre scheinen in der Grauzone zwischen Staat und Wirtschaft alle Dämme gebrochen. Ob Deutsche Bahn „AG“, Bundesanstalt für Arbeit, ARD, ZDF & Co. oder die IHK-Chefs von Hamburg oder Berlin: über Angela Merkels Kanzler-Salär können deren oberste Führungskräfte nur müde lächeln.

Der Bundesverband für freie Kammern setzt sich für ein Ende des IHK-Zwangs ein:  www.bffk.de