© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

CD-Kritik: Harald Genzmer
Pappkamerad
Jens Knorr

Harald Genzmer (1909–2007), lange Jahre Professor für Musiktheorie und Komposition an der Münchner Musikhochschule, hat vielerlei Gattungen bedient, ausgenommen die der Bühne. Der Schüler von Curt Sachs, Georg Schünemann und Paul Hindemith sah sich in „abendländischer“ Musiktradition verwurzelt, die er an – erweiterter – Diatonik, klassischen Formen, Praktikabilität für den Interpreten und Verständlichkeit für den Hörer festgemacht wissen wollte. 

Auf dem Rückweg von der Symphonie zum Divertimento, von der Sonatenform zur Suite, von den seriellen Konsequenzen polyphonischen Denkens zur Imitation, von der Formenkritik zur Vorform laufen dem Hörer permanent alte Kameraden vors Ohr, denen Genzmer sauber hinterherkomponiert hat, allerdings in Gegenrichtung. Unter dem Label Thorofon sind die Arbeiten Genzmers auf zehn Tonträgern hinreichend dokumentiert. Die für die „Best of“-CD kompilierten Einzelsätze scheinen auch ohne ihre ursächlichen Werkzusammenhänge zu funktionieren.

Genzmer wollte eine Musik schaffen, die zu dem Hörer spricht, schuf jedoch eine Musik, die nicht vom Hörer sprach, sondern ihm zu Ohren schwatzte – künftiger Gegenstand für Musiksoziologen und Chronisten der deutschen Musikgeschichte des vorigen Jahrhunderts.

Harald Genzmer CD-Portrait: „Best of Genzmer“ Thorofon 2016  www.genzmer-stiftung.de