© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Blick in die Medien
Jetzt wird zurückgeprangert
Tobias Dahlbrügge

Im Herbst hatte die Bild-Zeitung etliche Namen, Porträts und Beiträge von Facebook-Nutzern veröffentlicht, die sich angeblicher „Hetze“ gegen Asylbewerber schuldig gemacht hatten. Darunter Äußerungen wie: „Wenn einem Muslim in seinem Gastland etwas nicht gefällt, kann er ja wieder gehen.“ Bild titelte: „Wir stellen die Hetzer an den Pranger! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!“ Der Staatsanwalt übernahm zwar nicht, dafür aber ein Kollege aus der Privatwirtschaft. 

Urteil gegen „Bild“: Der „Pranger der Schande“ verletzte in der Tat Persönlichkeitsrechte. 

Eine an den Pranger gestellte Frau hatte die Löschung ihrer Erwähnung gefordert. Der Anwalt der Betroffenen erklärte: „Ihre Äußerung war weder strafbar noch sonst rechtswidrig. Vielmehr übte sie lediglich ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus.“ 

Doch das Münchner Landgericht schmetterte ihre Klage ab. Auch der Presserat, sonst stets hochsensibel gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen und nicht zimperlich mit Rügen – insbesondere bei der Bild –, konnte in diesem Fall beim besten Willen nichts Unangemessenes entdecken. Der Pranger diene „öffentlichem Interesse“ und bewege sich daher „im Rahmen presseethischer Grenzen“. Auch die Titulierung als „Haßfratzen“ ginge schon in Ordnung. Schließlich war die Frau „rechter“ Häresie überführt und daher zur öffentlichen Verbrennung freigegeben. Kein Ruhmesblatt.

Nun aber kassierte das Oberlandesgericht das Urteil und entschied: Der „Pranger der Schande“ verletzte in der Tat Persönlichkeitsrechte. Und dies, so die Richter, wiege weitaus schwerer als die zeitgeschichtliche Relevanz. Bild habe sich ebenso profilieren können, wenn die Facebook-Profile und -Nachrichten ohne Möglichkeit der Identifizierung veröffentlicht worden wären.

Da nach diesem Richterspruch keine Revision zulässig ist, kündigte Bild an, ein Hauptsacheverfahren anzustreben, um die Auseinandersetzung bis zur letzten Instanz durchzuziehen – dem Bundesgerichtshof. Für die Geschädigte ein Prozeß, der Nerven und viel Geld kostet.