© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Hassen Journalisten ihre Leser?
Das Medienmagazin „Kress“ wirft einen Blick hinter die Kulissen des Medienbetriebs
Lukas Steinwandter

Roland Tichy langt zu. Der ehemalige Chefredakteur der Wirtschaftswoche ist mittlerweile selbst als Medienunternehmer aktiv – und kritisiert in der neuen gedruckten Ausgabe des Medien-Magazins Kress seine Kollegen ungewohnt scharf: „Sind wir doch ehrlich: Der durchschnittliche deutsche Journalist haßt nichts so sehr wie seine Leser. Die sollen bitte schön Geld überweisen und das Maul halten. Ertragen kann er Leser nur, wenn sie ihn loben und Pralinen schicken.“ Tichy bekommt immerhin vier ganze Seiten des 90 Seiten starken Medienmagazins, um seine Sicht der Dinge darzulegen.

Das ist viel, gemessen an der Kritik, die der erfahrene Journalist für sein liberal-konservatives Meinungsportal „Tichys Einblick“ einstecken mußte. Daß einige seiner Kollegen sein Portal in die rechte Ecke stellen, die auch „Verschwörungstheoretiker“ bediene, findet der Bayer „hervorragend“. Schließlich sei Mißgunst „immer schon die zweithöchste Form der Anerkennung nach dem Plagiat“.

Längst beschäftigen sich nicht alle großen Artikel der aktuellen Ausgabe des Magazins mit Medienkritik. Beide Titelbeiträge richten sich an ein dezidiert medienspezialisiertes Klientel. So fragt Roland Karle „Was bringt uns Facebook?“ Mit „uns“ meint er Medienleute, die ihre Inhalte über das soziale Netzwerk verbreiten möchten. Auch die zweite Titelgeschichte dürfte eher für jene interessant sein, die in der Medienbranche ihre Brötchen verdienen, wenn der Autor die deutsch-koreanische Partnerschaft von Springer und Samsung in Sachen Upday, eines neuen Nachrichtenprojekts für mobile Geräte, nachgeht. 

Ein acht Seiten langes Ranking – inklusive Werbung – der „25 spannendsten Köpfe im Pressevertrieb“ dürfte sich ebenfalls eher an kleinere Branchenkreise richten als an den durchschnittlichen Leser. Und dennoch lohnt ein Blick hinter die Kulissen des Journalismus. Kress zeigt, wie vielschichtig der Medienbetrieb ist und wie dröge es manchmal zugeht.