© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Das georgische Problem
Kriminalität: Die gestiegene Zahl der Wohnungseinbrüche versetzt Sicherheitsbehörden und Politiker in Alarmbereitschaft
Paul Leonhard

Ein einziger Wohnungseinbruch in Osnabrück hat es geschafft, die deutsche Politik und vor allem die Gerichte zu sensibilisieren: Am Ostersonnabend waren zwei Kriminelle in das Haus einer 77 Jahre alten Frau eingebrochen. Weil ein Nachbar sofort die Polizei alarmierte, konnten die Täter gefaßt werden. In Untersuchungshaft kamen sie indes nicht. Der Mann hatte einen festen Wohnsitz. Die Einbrecherin gab an, sich erst wenig Tage im Land aufzuhalten und noch nicht strafbar geworden zu sein.

Ein alltäglicher Fall in Deutschland, wo alle drei Minuten eine Wohnung aufgebrochen wird. Brisanz hat der konkrete Fall lediglich erhalten, weil der Sohn des Opfers, Michael Wolting, Präsident des Amtsgerichs Leipzig ist. Wolting protestierte beim Gerichtspräsidenten in Osnabrück, sprach von einer „Fehlentscheidung“ und vom sinkenden Sicherheitsgefühl innerhalb der Bevölkerung und drohte an, „falls erneut etwas geschieht“, die Verantwortlichen „persönlich zur Rechenschaft“ zu ziehen.

Für die Polizei ist dieser Fall mit prominentem Opfer wie seinerzeit der Diebstahl des Privatautos von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) durch polnische Kriminelle ein Glücksfall. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert schon seit langem angesichts der steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität: Der bisher häufig bei Gericht angewandte „minderschwere Fall“ soll abgeschafft und Wohnungseinbrüche grundsätzlich als „schwere Straftat“ behandelt werden. „Es muß endlich gehandelt werden, sonst bekommen die Bürger den Eindruck“, so Gewerkschaftschef Rainer Wendt, „Deutschland fällt unter die Räuber“.

Das ist es längst, wie Statistiken zeigen. Insbesondere kriminelle Banden aus Georgien haben Deutschland als lohnenswertes Ziel mit geringem Risiko, verurteilt zu werden, entdeckt. Das Problem mit der Kriminalität von Menschen aus Georgien sei „unübersehbar“, räumte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein. „Wir haben sehr stark den Eindruck, daß Georgier verstärkt als Asylsuchende hierher kommen, nur um hauptsächlich Diebstähle zu begehen“, sagte Herrmann der Huffington Post. Von mehreren tausend Tätern insbesondere aus Georgien, die das Asylverfahren nutzen, um in Deutschland Straftaten zu begehen, spricht der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch. Laut eines BKA-Lageberichts lenkt eine russisch-georgische Mafia die Taten und wirbt in Georgien junge Männer an. Das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen spricht von „russisch-eurasischen Bandenstrukturen“. Gezielt würden Apotheken, Juweliergeschäfte und Elektronikgeschäften ausgeraubt.  

Die bisher bekanntgewordenen Zahlen zur Einbruchskriminalität 2015 zeigen steigende oder anhaltend hohe Tendenzen. In Hamburg ist die Zahl der Wohnungseinbrüche um 20 Prozent auf mehr als 9.000 Fälle gestiegen, in Nordrhein-Westfalen von 45.000 auf 62.000, was einem Plus von 18 Prozent entspricht. In Berlin kletterte die Zahl der Einbrüche in Häuser und Villen um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in Schleswig-Holstein um 12,3 Prozent. „Die vielerorts zweistelligen Zuwachsraten korrespondieren leider mit einer niedrigen Aufklärungsquote“, klagt Wendt. In Schleswig-Holstein von über zwölf auf unter zehn Prozent. 

Beamte durch laxe Gerichte demotiviert

Wendt fordert gegen die reisenden Täter und die bandenmäßig organisierte Kriminalität neue Ermittlungsinstrumente einzusetzen, um durch Datenerfassung und -auswertung Strukturen und Verhalten von Kriminellen vorherzusagen. Die innere Sicherheit sei durch die zunehmenden Einbrüche schwer belastet, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek: Für die meisten Bürger sei es ein traumatisches Erlebnis, wenn die eigenen vier Wände von Einbrechern durchwühlt wurden. „Von bloßen Beschwichtigungen und Ankündigungen lassen sich organisierte Kriminelle nicht abschrecken“, sagte Radek und forderte eine sichtbare Präsenz der Polizei in Wohngebieten. 

Die Sparpolitik hat die Polizei gezwungen, sich aus der Fläche zurückzuziehen. Dazu kommt der laxe Umgang der Gerichte mit Eigentumsdelikten, der die Beamten demotiviert. So gibt es nicht wenige Fälle, bei denen Polizisten ein  und denselben Einbrecher mehrfach am Tag festnehmen konnten und nach der Personalaufnahme laufen lassen mußten. Längst fürchten ausländische Kriminelle im östlichen Grenzgebiet nur eines: von polnischen oder tschechischen Streifen festgenommen zu werden, die nun grenzübergreifend tätig werden dürfen, und jenseits der Grenze in Untersuchungshaft zu landen.

Die Osnabrücker Täter wurden übrigens schnell erneut gefaßt: Sie hatten einen geklauten Mercedes zu Schrott gefahren. Wohl mit Blick auf die Drohung des Leipziger Gerichtspräsidenten wanderten die lettischen Kriminellen diesmal in Untersuchungshaft.