© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Schuldig bis zum zweifelsfreien Beweis der Unschuld
Kampf gegen Briefkastenfirmen: Nach Offshore-, Luxemburg- und Swissleaks folgen nun die „Panama Papers“ / Steueroasen sind nicht zwingend illegal
Thomas Kirchner

Seit 1989 spüren die Journalisten des Washingtoner Center for Public Integrity (CPI) laut eigenem Bekenntnis „Machtmißbrauch, Korruption und Gesetzesverstößen mächtiger öffentlicher und privater Institutionen“ nach – gefördert von US-Stiftungen wie Sunlight, der Ford Foundation oder Open Society von George Soros. Das vom CPI initiierte International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) hat hingegen die Reichen und Mächtigen außerhalb der USA im Visier: 2013 wurden unter dem Titel „Offshore-Leaks“ erstmals geklaute 260 Gigabyte Daten aus neun Steueroasen veröffentlicht.

2014 folgten „Luxemburg-Leaks“,  2015 „Swissleaks“ und vergangenen Sonntag die ersten „Panama Papers“. Schuldig bis zum zweifelsfreien Beweis der Unschuld – nach diesem Motto wird nun nicht nur in der Süddeutschen über den Datendiebstahl bei der Kanzlei Mossack Fonseca & Co. in Panama berichtet. Nicht nur diverse Autokraten oder das „Umfeld“ von Wladimir Putin wurden aus den 2,6 Terabyte Daten als Briefkastenfirmenbesitzer extrahiert, sondern auch Islands EU-feindlicher Premier Sigmundur Gunnlaugsson, weil er mit seiner Gattin zusammen eine Firma in Panama besessen haben soll. Daß die Wirtschaftsprüfer von KPMG inzwischen bestätigt haben, daß alle Steuern gezahlt wurden, spielt keine Rolle – er steht unter Generalverdacht.

Daß in den „Panama Papers“ offenbar kaum Deutsche zu finden sind, wundert nicht, denn Mittelamerika genießt bei den meist eher konservativen deutschen Reichen keinen guten Ruf. Selbst Hedgefondsmanager haben bei ihnen schlechte Karten, wenn sie einen Fonds auf den vergleichsweise seriösen Kaimaninseln anbieten. Panama steht noch eine Stufe tiefer. Deutsche haben ihre Vermögen lieber in die Schweiz, nach Liechtenstein oder Luxemburg gebracht, selbst London wurde erst spät ernstgenommen.

Mossack Fonseca versucht nun in einer Gegeninformationskampagne klarzustellen, daß eine Gesellschaft in einer Steueroase nicht zwingend illegal ist. Und in der Tat gibt es – anders als Justizminister Heiko Maas glaubt – mehr als genug legitime Gründe, Briefkastenfirmen zu nutzen und beim Finanzamt zu deklarieren. Teilweise werden solche Unternehmen sogar staatlich gefördert.

Sicherheit und Vermeidung von Doppelbesteuerung

Will etwa eine amerikanische Universitäts- oder Krankenhausstiftung ihre Steuerfreiheit bei einer Investition in Kapitalbeteiligungsgesellschaften (Private Equity) bewahren, geht das nur, wenn der Fonds außerhalb der USA registriert ist. Die Kaimaninseln hätten ohne diese „Hilfe“ durch den US-Fiskus nie ihre heutige Bedeutung erreicht. Ein weiterer Grund ist die Unfähigkeit vieler Regierungen, Doppelbesteuerungsabkommen abzuschließen. Firmen sind dann zur Gründung von Tochtergesellschaften auf einer fernen Insel gezwungen. Immobilienerwerb ist für Ausländer in vielen Staaten schwierig, aber wesentlich einfacher, wenn man eine Gesellschaft einschaltet. Die günstigste Variante ist ein Steueroasebriefkasten. Der amerikanische Fiskus fördert solche Strukturen: Beim Erben einer Immobilie in den USA werden „Briefkästen“ im Gegensatz zu ausländischen Privatpersonen nicht abgezockt. Über 660 Firmen mit Sitz in Bermuda sind derzeit an Börsen in New York, London oder Singapur notiert. Knapp ein Drittel aller in Hongkong notierten Firmen stammen aus Bermuda, über 20 Prozent von den Kaimaninseln.

Ginge es nur um Steuervermeidung, müßte niemand in der Steueroase Hongkong ein Unternehmen in einer anderen Oase gründen. Aber in der früheren britischen Kronkolonie geht es um Rechtssicherheit im Falle einer totalen Machtübernahme durch Chinas Kommunisten. Gerade in ärmeren Ländern mit mächtiger mafiöser Infrastruktur ist das Sicherheitsbedürfnis groß. Dort ist es sinnvoll, ehrlich erworbenes Vermögen ins Ausland zu transferieren, bevor es gestohlen wird. Auch das Verschleiern der wahren Vermögensverhältnisse hat oft nichts mit Steuerflucht zu tun, sondern dies soll Entführungen von Angehörigen weniger attraktiv machen.

Rechtssicherheit anderer Art bieten Steueroasen bei der Regelung von Erbschaften, wenn zerstrittene Erben über viele Länder verstreut leben und ein globales Vermögen zu vererben ist. Dies könnte die Motivation von Gunter Sachs gewesen sein, der beim „Offshore-Leaks“-Skandal öffentlich gebrandmarkt wurde. Daß die zuständige Schweizer Steuerverwaltung wenig später die Versteuerung seines Erbes bestätigte, war dann keine Schlagzeile mehr wert.

Argumente der Kanzlei Mossack Fonseca:  www.mossfon.com

„Panama Papers“-Auswertung des International Consortium of Investigative Journalists:  panamapapers.sueddeutsche.de