© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Die Medici lockten eine neue Künstlergeneration
Spätrenaissance: Das Frankfurter Städel-Museum zeigt eine beeindruckende Manierismus-Ausstellung
Claus-M. Wolfschlag

In die Welt der florentinischen Kunst vor 500 Jahren entführt derzeit das Frankfurter Städel-Museum. Gezeigt werden 120 bedeutende Leihgaben aus der Zeit des Manierismus. Als Manierismus, abgeleitet vom italienischen Begriff „mano“ (Hand), wird der Zeitabschnitt der Spätrenaissance ab 1520 verstanden, der Ende des 16. Jahrhunderts fließend in die Barockkunst hinübergleiten sollte. 

Als Zentrum dieser Strömung fungierte die toskanische Metropole Florenz, die durch die Auftragsvergabe seitens der herrschenden Herzogs-Familie der Medici zahlreiche namhafte Künstler jener Zeit anziehen konnte. So folgten den Bekanntheiten der Hochrenaissance wie Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarroti und Raffael die heute im allgemeinen Bewußtsein weniger bekannten Namen Jacopo Pontormo, Agnolo Bronzino, Andrea del Sarto, Rosso Fiorentino, Francesco Salviati oder Giorgio Vasari.

Diese neue Künstlergeneration nutzte die antiken Elemente, die die Renaissance wieder ausgegraben hatte, pfefferte diese aber mit einer gehörigen Ladung an Spannung. Nicht mehr die ruhige, geometrisch ausgewogene Komposition bestimmte Gemälde und Skulpturen, sondern gezierte, gedrehte, perspektivisch verschobene Figurengruppen drängten sich nun in die Bildwerke. Das Raffinierte und Extravagante löst die ernste Beschäftigung mit der antiken Überlieferung ab. Wurde seit dem 17. Jahrhundert diese Epoche als eine des künstlerischen Verfalls und der ästhetischen Überspanntheit gewertet, so wurde sie erst im Laufe des 20. Jahrhunderts als eigenständiger Ausdruck der Renaissance-Bewegung neu interpretiert.

Museumsdirektor Max Hollein erläutert im Ausstellungskatalog: „Ausgangs- und Mittelpunkt der Ausstellung ist ein Meisterwerk der Städel-Sammlung, Bronzinos berühmtes Bildnis einer Dame in Rot, das zeigt, wie die vornehmen jungen Florentinerinnen sich selbst sahen und gesehen werden wollten: stolz, selbstbewußt, immer ein wenig auf Distanz – und mit einem Schoßhündchen als itpiece. So spiegelt sich in diesen Bildern oft auch ein Stück weit das selffashioning unserer eigenen Zeit, das dem Betrachter einen gegenwärtigen Einstieg in eine Epoche bietet, der Stil alles bedeutete.“

Deutlich wird die im Manierismus eingeleitete Formveränderung exemplarisch bei dem Bildmotiv der „Madonna mit Kind und dem Johannesknaben“ von Rosso Fiorentino. Einer langhalsigen Madonna stehen dickliche Knaben mit grotesken, fast trunkenen Gesichtszügen zur Seite, die bereits stark an die Putten der Barockzeit erinnern.

Die Bandbreite der im Städel gezeigten Werke umfaßt Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgraphik. Als besonderer Augenschmaus ist ein Architekturmodell von Michelangelos Treppenhaus der Biblioteca Medicea Laurenziana aufgebaut, das die architektonische Finesse des Manierismus verdeutlicht. Eine klassische Außenfassade wurde zum Wand-

element eines Innenraumes, die Säule, eigentlich ein tragendes Element vor einer Mauer, wurde in jene hineinversenkt.

Die Ausstellung „Maniera“ ist bis zum 5. Juni im Städel-Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt am Main, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Do./Fr. bis 21 Uhr, zu sehen. Telefon: 069 / 60 50 98-0

Der Katalog mit 304 Seiten kostet im Museum 39,90 Euro.

 www.staedelmuseum.de