© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Grüße aus Brüssel
Auf gute Nachbarschaft
Carl Gustaf Ströhm

Als jemand der schon oft umgezogen ist, muß ich zugeben, daß ich immer zumindest einen Nachbarn hatte, der problematisch war. Anscheinend blieb mir dies in Brüssel erspart, bis ich an einem sonnigen Samstag auf die menschenleere Straße vor meiner Wohnung trat und nach drei Schritten in den Lauf einer HK-Maschinenpistole sah. 

Falls Sie glauben, dies sei mein Nachbar gewesen, muß ich sie enttäuschen. Denn für Brüssel ist ein solches Bild seit den Anschlägen fast alltäglich geworden. Straßensperren, maskierte Männer mit orangener Armbinde oder Soldaten sind auf den Straßen allgegenwärtig. Mit einem gewissen Unbehagen machte ich den Polizisten, dem Träger der MPi, darauf aufmerksam, daß ich hier wohne. Er meinte nur: „Schnell, schnell zurück in die Wohnung.“ Ich tat wie befohlen und wartete, bis die Straßensperre wieder aufgehoben wurde. 

Bevor sie sich in die Luft sprengten, planten sie ihre blutige Tat nahe meiner Wohnung.

Nach zwei Stunden war der Spuk dann vorbei. Erst später fand ich heraus, was die Polizisten dort in der Nachbarschaft fanden. Laut den Ermittlungen waren zwei meiner Nachbarn für die Anschläge am 22. März verantwortlich. Beide sprengten sich am Flughafen in die Luft. Bevor sie dies aber taten, planten sie in dem heruntergekommenen Wohngebäude in der Nachbarschaft ihre blutige Tat. 

Die Terroristen wohnten demnach im Stadtteil Etterbeek. Sie kauften im Supermarkt an der Rue des Champs ihre Lebensmittel. Oder aber ihre Zeitschriften im kleinen Laden bei la Chasse. Etterbeek ist eigentlich ein gutsituierter Bezirk, ganz in der Nähe der EU-Institutionen. Dennoch merkt man auch hier die Allgegenwart muslimischer Lebensart. Das Straßenbild ist hier von Halal-Fleischereien und pakistanischen Nightshops geprägt. 

Die Tatsache, daß in der Straße, in der ich und meine islamistischen Ex-Nachbarn wohnen, sich gleich neben der größten Polizeikaserne in Brüssel befindet, gab mir dann doch zu denken. Vor den Augen der Exekutive gingen die zwei ein und aus. Ironisch scheint, daß am 22. März fast alle Antiterroreinheiten von dort aus nach Zaventem und in die umliegenden Bezirke ausgerückt waren. 

Die Hilflosigkeit und traurige Unfähigkeit, nicht nur der Ermittler, sondern des ganzen Landes erinnerte mich an einen Satz, den mir ein Reporter an jenem Samstag mitgegeben hatte: „Molenbeek ist überall.“ Auch in meiner Nachbarschaft.