© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Heiße Luft und schwarzes Geld
„Panama Papers“: Auch eine fünfte europäische Geldwäsche-Richtlinie wird die Steueroasen nicht austrocknen
Albrecht Rothacher

Seit drei Wochen geistern die „Panama Papers“ durch die weltweiten Medien (JF 15/16). Im Zentrum steht die Großkanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) in Panama City, die wohl schon ahnte, was auf sie zukommt: Der zweite Geschäftsführer Ramón Fonseca, Vize der konservativen Regierungspartei Panameñista von Staatschef Juan Carlos Varela Rodríguez, trat schon im März von seinem Posten als Präsidentenberater zurück. Vorige Woche wurden dann mehrere Niederlassungen im Ausland und die Mossfon-Zentrale von staatsanwaltlichen Ermittlern durchsucht.

EU-Länder profitieren von Briefkastenfirmen

Die 1977 gegründete Kanzlei hatte sich auf Firmengründungen in Panama und in benachbarten karibischen Steueroasen spezialisiert – und war bekannt dafür, zu Unternehmenszwecken und den Ursprüngen der Gelder keine eindringlichen Fragen zu stellen. Für gut 800 Dollar war man dabei: eine anonymisierte Briefkastenfirma auf den Jungferninseln, den Seychellen oder Bahamas, gelegentlich auch in Großbritannien, Malta oder Zypern – mit Bankkonto, Scheindirektoren, die alles unterschreiben, und dem weiteren direkten Durchgriff durch eine Inhaberaktie im Eigenbesitz. Mossfon half bei der Gründung von 214.000 Off­shore-Gesellschaften für 14.000 Kunden. Auf knapp zehn Prozent wird der Mossfon-Marktanteil bei den über zwei Millionen Briefkastenfirmen der Welt geschätzt. Nur die Spitze des Offshore-Eisbergs ist also sichtbar geworden.

Abgesehen von der Familie von Premierminister David Cameron waren allerdings aus der EU kaum politische Prominente dabei, und wenn, dann eher aus der zweiten Reihe: etwa der pensionierte deutsche Meisteragent Werner Mauss und ein paar dubiose Geschäftsleute. In Frankreich ein linker Ex-Haushaltsminister, ein rechter Abgeordneter, zwei Fußballer und zwei „schwarze Kassen“ des Front National (FN).

Daher wurde anfangs zum großen Halali auf die Steuerhinterzieher geblasen. Der französische Sozialist und EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici war einer der Lautesten – bis herauskam, daß die betuchte Ehefrau des spanischen Energiekommissars Miguel Arias Cañete von der konservativen Volkspartei (PP) auch briefkastenaktiv ist. PP-Parteifreund José Manuel Soria mußte vorige Woche sogar als spanischer Industrieminister zurücktreten – er hatte den Briefkasten UK Lines von seinem Vater geerbt.

Es gibt gute und schlechte Gründe, sich aus unternehmerischen oder steuerlichen Gründen eine Offshore-Firma zuzulegen (JF 16/16). Zur Zeit des Eta-Terrors im Baskenland konnte man sich so auch vor wirtschaftlicher Erpressung durch die Terroristen schützen. Auch der Markt für Jachten oder internationale Luxusimmobilien – von London bis an die Côte d’Azur finanziert sich offshore. Die Umsätze sind so gewaltig, daß keiner betroffenen Regierung an einer effektiven Unterdrückung gelegen sein kann. In den Londoner Stadtteilen Kensington, Notting Hill, Chelsey und Mayfair wird die Nachfrage von schlecht getarnten Fluchtgeldern aus Rußland, China, Arabien und der Dritten Welt genährt. Auf 122 Milliarden Pfund Sterling beläuft sich der Bestand der in England von Offshore-Gesellschaften gehaltenen Immobilien. 36.000 Objekte sind es allein in London. In den USA werden 54 Prozent aller Luxusimmobilien mit einem Wert von über fünf Millionen Dollar über Firmenkonstruktionen erworben. Bei den billigeren Objekten werden 22 Prozent in bar bezahlt.

Die Politik versucht seit der Finanzkrise, die letzten Reste des Bankengeheimnisses auszuhebeln, um alle Guthaben zu besteuern. Die Banken haben aus politischer Sicht dreierlei Schuld auf sich geladen: Wohlhabende Privat- und Firmenkunden beraten, deren Gelder überwiesen und gelegentlich die entsprechenden Fonds auch noch treuhänderisch weiter verwaltet. Alles legal, denn die Steuererklärung macht der verantwortliche Eigentümer. Unter den 365 Banken, die in Mossfon-Papieren auftauchen, sind an aller erster Stelle die Briten: die Hongkong and Shanghai Banking Corporation (2.300 Firmen) sowie Coutts und der Rothschild Trust auf Guernsey. Es folgen die Schweizer UBS und Credit Suisse mit je 1.100 Firmen sowie die französische Société Générale mit knapp 1.000 Firmen. Die Deutsche Bank, Commerzbank und die Hamburger Berenberg Bank sind diesbezüglich im Vergleich nur kleine Fische. Finanzminister Wolfgang Schäuble legte dennoch sofort ein Zehn-Punkte-Programm gegen Schwarzgelder und Steuerhinterziehung vor (JF 16/16). Ein weltweites Firmenregister solle die Hintermänner transparenter machen. Die „schwarzen Listen“ unkooperativer Steueroasen sollen vereinheitlicht werden. Namentlich Panama drohte er mit der Ächtung von Finanzgeschäften. Gegenüber Delaware oder Wyoming scheint ihn der Mut verlassen zu haben.

Wahrscheinlich wird es demnächst eine fünfte europäische Geldwäsche-Richtlinie und zweite Geldtransfer-Verordnung geben. Die Schäuble-Liste müßte aber von allen 28 EU-Staaten abgesegnet werden. Bislang haben die Briten solche Versuche stets sabotiert. Ihre Kanalinseln und die Isle of Man sowie die 14 Überseegebiete haben weitgehende Autonomie. London kann sie zu nichts zwingen. Und warum ein erfolgreiches Geschäftsmodell zugunsten der US-Konkurrenz aufgeben? Auf den britischen Jungferninseln gibt es 27.000 Einwohner und eine Million Briefkastenfirmen, die im Zweifel ins nahe Delaware übersiedeln würden.

Warum ein lukratives Geschäftsmodell aufgeben?

Ab 2017/18 sollen alle wichtigen Finanzzentren in 58 Staaten (einschließlich aller EU-Länder) unter OECD-Aufsicht einen automatischen Abgleich der Auslandskonten mit den betroffenen Finanzbehörden durchführen. Bislang kündigten alle ihre Mitarbeit an, um nicht auf schwarzen Listen zu landen. Doch ist schon jetzt offenkundig, daß die asiatischen Finanzzentren, von Dubai und Bahrain bis Singapur und Hongkong, unter allerlei Vorwänden nicht mitziehen werden: Zu groß ist das Fluchtgeldvolumen der Chinesen und Araber. Auf diese Kundschaft zu verzichten, hieße die schönen Bankenpaläste schließen und wieder zum Fischfang, zum Palmöl- und Dattelanbau zurückkehren zu müssen. Auch Luxemburg will schließlich nicht wieder von der Milch- und Weinwirtschaft leben.

Durch „Lux Leaks“ kamen 2014 geheime Niedrigsteuerabkommen der Luxemburger zugunsten von Großkonzernen in die Diskussion. Um Steuerlöcher in den eigenen Reihen zu stopfen, schlägt die EU-Kommission für Konzerne mit mehr als 750 Millionen Umsatz eine nationale Bilanzierung ihrer Umsätze, Gewinne und vor Ort gezahlter Steuern vor.

Das soll Konzerne wie Facebook, Google, Apple, Microsoft, General Electric, Pfizer, IBM, Ikea und Starbucks zwingen, dort Steuern zu zahlen, wo sie wirtschaftlich aktiv sind. Bislang leiten viele ihre Gewinne mit Sitz in den Steueroasen über Zwischenlager in europäischen Niedrigsteuerländern wie Irland und den Niederlanden weiter. Einmal mehr droht jedoch das EU-Einstimmigkeitsprinzip in Steuersachen mit der Aktion Wasserschlag zu enden, sobald die panamaische Entrüstung verraucht ist.

Ausgewählte Teile der Papiere des International Consortium of Investigative Journalists:

 panamapapers.icij.org

 panamapapers.sueddeutsche.de

 cms.falter.at