© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Frisch gepresst

Leistungsträger. Die erhoffte „Demoralisierung“ der Bevölkerung durch angelsächsischen Bombenterror blieb aus, die Ostfront brach nach Stalingrad nicht zusammen und die deutsche Rüstungsproduktion erreichte 1943/44 Rekordstände. Die Kollektivpsyche der Deutschen, deren Stimmung im Kriegsverlauf schwankte, deren ungebrochene Haltung jedoch höchste Leistungs- und Opferbereitschaft ermöglichte, gab schon den „Reeducation“-Planern Rätsel auf, die Historiker bis heute nicht lösten. Nicht zuletzt deshalb, weil bisher eher die Funktionseliten des Dritten Reiches, vom Staatssekretär aufwärts, im Zentrum der Forschung standen. Mentalitätshistorisch fruchtbarer könnte hingegen die Beschäftigung mit der Ebene der leitenden Angestellten sein, was für die Wehrmacht den Blick auf die Leistungsträger zwischen Leutnant und Oberst eröffnet. Aus dieser breiten Schicht ragen wiederum etwa 7.300 Ritterkreuzträger hervor. Unter ihnen hat Clemens Range 75 ausgewählt, um exemplarische Lebenswege der Kriegsgeneration aufzuzeigen. Seine Porträts vergegenwärtigen nicht nur deren soldatische Leistungen, sondern sollen vor allem zeigen, daß es diese Männer waren, denen, in Funktionen vom Maurer bis zum Minister, der Wiederaufbau im Nachkriegsdeutschland zu danken ist. Beantwortet ist die Frage nach den Determinanten ihrer Leistungsfähigkeit mit diesem Querschnitt zwar immer noch nicht, aber die Auswahl gibt wichtige Fingerzeige. (ob)

Clemens Range: Wiederaufbau. Ritterkreuzträger im Nachkriegs-Deutschland. Verlag Translimes Media, Müllheim-Britzingen 2015, gebunden, 207 Seiten, Abbildungen, 33,90 Euro





Siebenbürgen. Der Niedergang regionaler deutscher Dialekte wird seit Jahrzehnten beklagt. Dramatisch stellt sich dieser dort dar, wo es keine Verwurzelung im heimatlichen Kulturraum mehr gibt, wie es sich spätestens nach dem Massenexodus vor 25 Jahren in Siebenbürgen darstellt. Noch beherrschen diesen Dialekt, der jahrhundertelang seinen Ursprung aus dem Moselfränkischen offenbarte, einige tausend in der bundesdeutschen Diaspora verstreute Siebenbürger Sachsen. Insofern ist das Dialektwörterbuch, das der aus dem sprachverwandten Luxemburg stammende, jahrelang auf dem „Königsboden“ nördlich der Karpaten tätige Lehrer Joseph Reuland herausgegeben hat, ein widerständiges Zeichen gegen den drohenden Kulturverfall. (bä)

Joseph Reuland, Bernhard Capesius, Otto Piringer: Kleines siebenbürgisches Wörterbuch. Verlag Saint Paul, Luxemburg 2015, gebunden, 157 Seiten, 20 Euro