© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Stammtischkämpfer gegen die AfD
Linksextremismus: Auf einer Aktionskonferenz sagen 600 Teilnehmer der Partei den Kampf an
Lukas Steinwandter

Drei Vertreter der Jungen Alternative (JA) Hessen stehen einsam hinter einigen Absperrgittern. Beschützt von Polizisten halten sie ein Transparent in die Höhe: „Nein zu Faschos, nein zu Gewalt, nein zur Antifa“, prangt in großen Lettern darauf. Den JA-Mitgliedern gegenüber stehen rund 150 selbsternannte Antifaschisten. „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, schallt es über die Wilhelm-Leuschner-Straße in Frankfurt am Main. 

Nach eineinhalb Stunden machen sich Linke in Richtung Haus des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf. Die Truppe besteht aus Vertretern verschiedenster linker Subkulturen. Ein kerniger Jugendlicher mit Kapuzenpulli trabt neben einem schmächtigen Kerl im Punk-Look. Auf der rechten Schulter glänzt ein Aufnäher mit einer roten, nach oben geballten Faust. Auf dem Rücken der in der Szene weit verbreitete Slogan „Kampf dem Kapital“. Punks mit Irokesenfrisuren und vernieteten Westen sind in der Menge zu sehen. Dazwischen tummeln sich einige Ältere. Die allermeisten  geben sich aber als Studenten aus oder sind im Erziehungswesen tätig. 

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hat zu einer Aktionskonferenz der bundesweiten Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“ geladen. Den Auftakt macht am vergangenen Sonnabend eine Podiumsdiskussion mit Vertretern linksradikaler und muslimischer Vereine. Der Wilhelm-Leuschner-Saal des DGB-Hauses ist mit rund 600 Personen prall gefüllt. 

Schnell wird  der Grund für die Kampagne klar: „die Rassisten von der AfD“. Die junge Frau am Mikrofon stellt die Grundpfeiler der Aktion vor, mit der der AfD das Leben schwergemacht werden soll. Konzerte und Demonstrationen sollen die Massen mobilisieren und Zeichen setzen. Durch eine „Vernetzung der Recherchearbeit“ soll der „Charakter der AfD als rassistische Partei“ aufgedeckt werden. Und schließlich die Ausbildung von „Stammtischkämpfer*innen“. Was die Initiatoren mit dem markigen Begriff meinen, wird am zweiten Konferenztag klar. 

In der Vergangenheit sei immer klar eine „rote Linie gezogen worden und offen auftretende Nazi-Organisationen waren geächtet und isoliert“. Dies sei das Ergebnis „antifaschistischer und antirassistischer Kampagnen“ gewesen. Auch die AfD soll als das dargestellt werden, was sie eigentlich sei: „rassistische Kackscheiße“, wie eine Vertreterin der Kampagne aus Stuttgart erläutert. 

Obwohl nach eigenen Angaben 17.000 Menschen den Aufruf der Initiative unterzeichnet haben, ist die Stimmung verhalten. Die sogenannten Antifaschisten sehen sich in der Defensive. „Aufstehen gegen Rassismus“ sei deshalb eine Initiative, „bei der wir aus dem ständigen Reagieren herauskommen und aktiv für eine bunte und solidarische Gesellschaft auf die Straße gehen“. 

Mit Schulstreiks gegen Wahlerfolge

Doch wer oder was ist eigentlich diese „rassistische Kackscheiße“? Der als AfD-Experte vorgestellte Publizist Andreas Kemper stellt klar: Die Partei hat sich aus „elitären Netzwerken“ formiert. Die AfD, sagt Kemper, bestehe aus drei Fraktionen: Der „neoliberale Flügel“ sei bei der Gründung der Partei maßgebend gewesen. Nicht zu unterschätzen sei die „christlich-fundamentale Fraktion“, von der Kemper einen Bogen zur „Demo für Alle“ spannt. Schließlich sei da noch die Gruppe um den Fraktionschef im Erfurter Landtag, Björn Höcke. 

Die AfD sei eine Gefahr für die Demokratie, meint Cornelia Kerth vom VVN-BdA. „Die AfD ist die Partei der rassistischen Mobilisierung“, warnt sie. Die Partei predige nicht den „üblichen Rassismus“, sondern bündele alle „Facetten eines extrem rechten Weltbilds“. „Völkisch-rassistisch“ sei der Programmentwurf. „Die AfD will Krieg“, schließt Kerth aus der Forderung der Partei, die Wehrpflicht wieder einzuführen.  

In der Defensive sieht sich auch der Zentralrat der Muslime Hessen. Dessen Vertreter Said Barkan moniert, es gebe unter Moslems eine „Wehrlosigkeit gegen Rassismus“. Die AfD dürfe nicht mit der NSDAP verglichen werden, wie das der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, vor kurzem tat. „Doch es gebe eine Entwicklung dahin“, warnt Barkan. Zudem sei die AfD verfassungsfeindlich. Sie wolle den im Grundgesetz garantierten Sozialstaat abschaffen. „Ebenso gefährdet sie die Religionsfreiheit, weil sie Minarette verbieten will.“ 

Am Sonntag geht es ans Eingemachte. In Arbeitsgruppen werden konkrete Handlungskonzepte diskutiert. Die Türen sind geschlossen. Der Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten der Linkspartei und ein DGB-Mitglied erklären, was es mit den Stammtischkämpfern auf sich hat, von denen bis 2017 10.000 ausbildet werden sollen. Es brauche viel mehr Menschen, die sich „in verschiedenen sozialen Situationen gegen zentrale Argumente der AfD zur Wehr setzen“. Die angeblichen Argumente von AfD-Sympathisanten lauteten beispielsweise: „Man darf ja kein kritisches Wort mehr sagen, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden.“ Oder: „Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen.“ Einigen Teilnehmern scheint Argumentieren zuwenig zu sein. Ein kurzhaariger Mann fragt, was man konkret gegen AfD-Infostände tun könne. „Abräumen“, ruft es aus dem Publikum. Beifall und Gelächter folgen.

In Arbeitsgruppen geht es am Nachmittag weiter, ehe die Konferenz mit der Abschlußerklärung „Aufstehen gegen Rassismus – Deine Stimme gegen die AfD!“ endet. Linkes Gedankengut werde in den Schulen zurückgedrängt, befürchtet die Leiterin der Arbeitsgruppe „Was tun in der Schule“. Schnell kristallisieren sich zwei Schwerpunkte heraus: Schülervertretungen und Projekte, durch die der reguläre Unterricht ausfällt. Eine Erzieherin schlägt vor, einen Schulstreik in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern anzukündigen, falls die AfD bei den Wahlen Erfolge einfahren kann. Bis dahin will das Aktionsbündnis allerdings nicht warten. Bevor Anfang Juni ein weiteres Treffen geplant ist, steht am Wochenende der Parteitag der AfD in Stuttgart an. Die Vertreterin aus Baden-Württemberg kündigt an: „Wir wollen Gesicht zeigen gegen Rassismus und uns um sieben Uhr an der Messe treffen.“ Angesichts des frühen Termins geht ein Raunen durch den Saal.