© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Grüße aus Madrid
Silberstreif am Horizont
Michael Ludwig

Mein Freund Ernesto – 53 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder – schöpft wieder Hoffnung. Als Innenarchitekt ist er einer der Leidtragenden der Wirtschaftskrise, die seit über einem halben Jahrzehnt Spanien beutelt. Doch nun sieht er einen Silberstreif am Horizont. Wir sitzen in einer Madrider Bar bei einem Glas Rotwein. „Hast du in der Zeitung schon gelesen, im Norden wollen sie sechs neue Wolkenkratzer bauen – Wohnungen, Geschäfte, Büros“, strahlt er. Sein Optimismus läßt sein Gesicht strahlen wie das Flutlicht im Bernabéu-Stadion.

In der Tat – die spanische Hauptstadt versucht nach den Jahren der Depression wieder Anschluß an die Entwicklung der anderen, vor allem nordeuropäischen Metropolen zu gewinnen. Das Projekt unter der Bezeichnung „Distrito Castellana Norte“ (DCN) ist mit einem enormen Ehrgeiz beseelt: Einer der sechs Wolkenkratzer soll mit 70 Stockwerken alle anderen europäischen überragen, aber die restlichen fünf sind mit einer Höhe von rund 250 Metern auch nicht zu verachten. DCN soll 311 Hektar Bodenfläche umfassen, inklusive eines Freizeitparks, der halb so groß wie der Retiro ist, Madrids grüne Lunge, die immerhin 140 Hektar mißt.

Rund sechs Milliarden Euro sollen investiert, 120.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ernesto interessiert sich von Berufs wegen vor allem für die geplanten 17.699 Wohnungen, von denen eine nicht unbeträchtliche Zahl als Luxusappartements in den Verkauf gehen soll. „Wer sich so etwas leisten kann, der beschäftigt womöglich einen Innenarchitekten, um der Einrichtung einen besonderen Pfiff zu geben“, sagt er. 

In einer großen Werbeveranstaltung versuchten die Macher von DCN, neben einer Bank eine renommierte Baufirma, für Vertrauen und Akzeptanz zu werben, damit ihr Megaprojekt verwirklicht werden kann. Rund sechs Milliarden Euro sollen investiert, 120.000 Arbeitsplätze geschaffen und auf lange Sicht rund 3,3 Milliarden in die öffentlichen Kassen gespült werden. Nun kommt es darauf an, daß die Stadtregierung grünes Licht gibt, was allerdings nicht ohne Komplikationen vonstatten gehen dürfte, denn sie wird von einer linkspopulistischen Koalition geführt. In diesem Zusammenhang beklagte Eduardo Fernández-Cuesta vom Internationalen Berufsverband für Immobilienangelegenheiten (RICS) die „Politisierung und Verrechtlichung“ der Madrider Stadtentwicklung.

„Ich bete darum, daß unsere Bürgermeisterin in dieser Angelegenheit nicht auf stur schaltet“, hofft Ernesto.