© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Platz für etwas Neues
Österreich: FPÖ strahlender Sieger bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl / Erstmals kein SPÖ- oder ÖVP-Vertreter in der Hofburg
Verena Inauaen

Norbert, Norbert!“ Sprechchöre erklingen, als der blaue Balken um 17 Uhr nach den ersten Hochrechnungen immer weiter in die Höhe schnellt. Im freiheitlichen Medienbüro herrscht Ausnahmestimmung und der Kandidat selbst ringt um Atem bei dem unglaublichen Ergebnis von 35 Prozent Zustimmung. Ein Durchkommen zum Mann der Stunde ist kaum noch möglich, jeder will dem Sieger des Wahlabends die Hand schütteln. „Wir wissen, daß sich ein altes System verabschiedet und Platz ist für ein neues. Ich bedanke mich bei allen Österreichern und Österreicherinnen, die uns das Vertrauen gegeben haben“, zeigt sich Hofer euphorisch in einem der wenigen ruhigen Augenblicke.

Nur ein paar Häuser weiter herrscht eine düstere Atmosphäre bei den beiden Altparteien SPÖ und ÖVP, die es zusammen nicht einmal auf über 25 Prozent der Wählerstimmen brachten. Das Thema Zuwanderung war das Schlagwort dieser Wahl und dabei hat Rot-Schwarz bereits lange vor der Stimmabgabe sein deutliches Versagen demonstriert. Die großen Verlierer am Wahlabend sind aber nicht nur die Regierungsparteien, sondern noch viel mehr sämtliche Meinungsforschungsinstitute ob ihrer bescheidenen Vorhersagekraft (OGM: Van der Bellen 25 Rozent, Hofer 24, SORA: Van der Bellen 26 Prozent, Hofer 24).

Gute Chancen für Hofer in der Stichwahl am 22. Mai

Lediglich die Werte des grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen (21,3 Prozent) stimmten annähernd.  Die von den linksliberalen Neos unterstützte Irmgard Griss konnte sich mit 18,9 Prozent behaupten. Vom Wähler düpiert wurden dagegen die ÖVP mit ihrem Kandidaten Andreas Khol (11,1 Prozent) sowie die SPÖ, die mit Rudolf Hundstorfer  lediglich 11,3 Prozent der Stimmen einfuhr. Erwartungsgemäß mit einem geringen Ergebnis folgt ihnen der  Unternehmer Richard Lugner mit 2,3 Prozent der Stimmen. 

Beachtlich ist an dieser Präsidentschaftswahl aber nicht nur der so intensiv wie noch nie geführte Wahlkampf, sondern auch die Möglichkeit erstmals einen Präsidenten aus einer der Oppositionsparteien als Staatsoberhaupt zu wählen. Seit der Gründung der Zweiten Republik im Jahr 1945 wurden die Präsidenten regelmäßig von den jeweiligen Regierungsparteien gestellt oder zumindest formell unterstützt. 

Während der blaue Hofer auf Patriotismus setzt und mit Zuwanderungsthemen sowie EU-Kritik („Ich werde keine TTIP-Unterschrift leisten“) ein breites Publikum für sich gewinnen kann, setzt der grüne Van der Bellen auf seinen Bekanntheitsfaktor. Realistischere Chancen auf den Einzug in die Hofburg besitzt aber der derzeitige Dritte Nationalratspräsident Hofer. 

Politikberater Thomas Hofer bescheinigt dem Sieger des ersten Durchgangs ebenso gute Karten für Runde zwei. Durch den klaren Erfolg werde bei der Bevölkerung eine regelrechte „Jetzt erst recht“-Stimmung ausgelöst. Wähler aus dem konservativen Spektrum der ÖVP und auch ein Teil von Irmgard Griss’ Anhängern könnten demnach bei der Stichwahl am 22. Mai ihre Stimme nun dem freiheitlichen Kandidaten geben. Wahrscheinlich sei ebenso die Zustimmung von ursprünglichen SPÖ-Wählern in grenznahen Gebieten wie dem Burgenland oder der Steiermark, die im Zuge der Asylkrise für Hofer stimmen würden. Auch Lugner als erklärter Befürworter einer blauen Regierung würde seine Wählerklientel nun zu einer Unterstützung von Hofer aufrufen. 

Van der Bellen hingegen kann auf die eher geringe Wählerschaft seines eigenen Lagers zählen und zusätzlich jenen geringen Teil der Sozialdemokraten, welcher jedoch vor allem in der rot geprägten Bundeshauptstadt Wien nicht zu unterschätzen ist. Die Stichwahl für die endgültige Entscheidung findet am 22. Mai statt. Es wird mit einer so hohen Wahlbeteiligung wie selten zuvor gerechnet.