© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Zeitschriftenkritik: Erbe und Auftrag
Mit Martin Luther im Gespräch
Werner Olles

Als zentrale Zeitschrift des deutschsprachigen benediktinischen Mönchtums reflektiert Erbe und Auftrag (Untertitel: „Monastische Welt“) vierteljährlich Geschichte, Gegenwart und Zukunft christlichen Glaubens und klösterlichen Lebens. 1919 als Benediktinische Monatsschrift gegründet, wird die Zeitschrift in einer Druckauflage von 1.600 Exemplaren und mit einem Umfang von jeweils 120 Seiten von der Erzabtei Beuron im oberen Donautal herausgegeben und von Schriftleiter Pater Albert Schmidt verantwortet. In jeder Ausgabe erwartet den interessierten Leser ein anspruchsvolles Schwerpunktthema, außerdem Informationen über aktuelle Ereignisse, Initiativen und Entwicklungen in der benediktinischen Welt sowie über Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt. Die Rubrik „Lecto divina“ erschließt regelmäßig einen biblischen Text, während eine Bildbetrachtung spirituelle Impulse gibt. 

Das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe (1/16) „Der Mönch Martin Luther“ erinnert an das Lutherjahr, faßt jedoch in seiner thematischen Ausrichtung und Prägung, vor allem aber in seiner theologischen Weite und Tiefe und dem hohen Niveau der verschiedenen Beiträge entsprechend die Gesamtheit des Mönchtums vielgestaltiger. Ausgehend von der Erinnerung an das Leben und Wirken des heiligen Benedikt, der als Patriarch des abendländischen Mönchstums Ende des fünften Jahrhunderts, vier Jahre nach dem Zerfall des weströmischen Reiches im umbrischen Apennin nordwestlich von Rom als Sohn einer freien und wohlhabenden Familie geboren wurde, um 547 starb – sein irdisches Dasein deckte sich damit fast genau mit der ostgotischen Herrschaft von 489 bis 553 –, führt die Thematik den Leser behutsam zum Augustinermönch Martin Luther. Auch dieser lebte zu einer Zeit, in der die religiöse Lage bereits sehr verwickelt war. Bei seinem Besuch in Rom sah er viele in die Abgründe des Lasters fallen, und sein Bild der „heiligen Stadt“ und des Klerus war somit von starkem religiösen und sittlichen Verfall geprägt.

Die Zeit im Kloster war für Luther indes keine „flüchtige Episode“, wie der Benediktiner und Ökumeniker Augustinus Sander in seinem fiktiven Gespräch mit dem Reformator bemerkt, „sondern eine Erfahrung, die ihn bleibend geprägt hat“. Schließlich trug er den Habit eines Mönchs zwanzig Jahre und legte ihn auch danach niemals ab. Energisch bestreitet Luther im „Gespräch“ den Gedanken der Gründung einer neuen Kirche und bezeichnet die Wittenberger als „Reform-Katholiken“, die eine Erneuerung der Kirche zu ihrer Zeit anstrebten. So sei er sein ganzes Leben lang katholisch gewesen, und „eine neue evangelisch-lutherische Konfessionskirche sei nicht der Erfolg, sondern das vorläufige Scheitern unserer Reformbemühungen“.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit dem koptischen Mönch Matta el Meskin und der Spiritualität der Wüste, sowie mit der (Un)Möglichkeit, heute Mönch zu sein.

Kontakt: Beuroner Kunstverlag, Abteistr. 2, 88631 Beuron, Tel.: 0 74 66 / 17-228. Das Einzelheft kostet 9 Euro, ein Jahresabo 32 Euro. 

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