© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Den Tanker versenkt
„Frankfurter Allgemeine Woche“: Das neue Wochenmagazin der „FAZ“ enttäuscht
Ronald Berthold

Reitet die FAZ einen toten Gaul? In Zeiten, in denen die Auflagen von Zeitschriften einbrechen, bringt der Verlag ein neues Magazin heraus: Die Frankfurter Allgemeine Woche erscheint ab sofort freitags für 3,50 Euro am Kiosk. Die erste Ausgabe zeigt, warum das finanzielle Risiko gering ist: Die Redakteure recyceln vielfach Texte, die zuvor in der Tageszeitung und auf den Online-Seiten erschienen sind.

Für den klassischen FAZ-Leser ist das 76 Seiten dünne Heftchen also nichts. Warum sollte er lesen, was er schon kennt? Teilweise wiederholen sich gar Formulierungen wörtlich. Beim „Bild der Woche“, einem Foto vom durch das Erdbeben zerstörten Ecuador, ist der Einstieg bereits vier Tage alt. Er stand genauso zum selben Thema bei FAZ.net. 

Und auch der meinungsstarke Bericht über den Volksverhetzungsprozeß gegen Lutz Bachmann bedient sich bereits bekannter Formulierungen: Der Pegida-Gründer habe eine Zahnbürste dabeigehabt für den Fall, „daß er gleich einrücken“ müßte. Und erneut, wie eine halbe Woche zuvor, haben die beiden Zeuginnen, die gegen Bachmann aussagten, „Mut bewiesen“. Offenbar hat die FAZ-Mannschaft den folgenden alten Journalistenspruch verdrängt: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“

Es fehlt ein Alleinstellungsmerkmal

Doch das Blättchen kämpft nicht nur mit dem Problem der Redundanz: Es fehlt das Überraschende, das Spritzige und wirkt daher so, wie es gemacht ist: als liebloser Aufguß. Mit welcher Flüchtigkeit die FAZ das Heft erstellt hat, belegt ein Lapsus im Text über AfD-Vize Alexander Gauland. Darin verlegt die Redaktion das Cornwall von England nach Schottland.

Wenigstens bei der ersten Ausgabe hätte der Käufer zudem ein Editorial erwarten können. Doch niemand der Verantwortlichen nimmt den Leser an die Hand, erläutert, warum es die FAZ-Woche nun gibt, welchen Weg sie gehen will und wo der Nutzen für den Käufer stecken könnte. Gerade weil sich das Magazin nicht selbst erklärt, wäre das dringend vonnöten gewesen.

Bei ihrer Mini-Kampagne für die Zeitschrift kündigte der Verlag in der Print-Ausgabe und auf der Web-Präsenz an: „Ein besonderes Augenmerk wird ressortübergreifend den Themen gelten, die eine jüngere Leserschaft interessieren.“ Denn diese Klientel finde „nicht mehr jeden Tag die Zeit, eine Zeitung zu lesen“. Wenn überhaupt, dann kommt das Feature über junge Brauereien diesem Ansatz am nächsten. Doch auch hier kennt der Leser schon vieles aus dem „Blog zum Bier“ der Online-Zeitung. Kein Wunder: Woche-Autor und FAZ-Blogger sind identisch.

Insgesamt löst das Blatt das Versprechen der Jugendlichkeit nicht ein. Weder vom Stil, der Themenmischung noch vom Layout her wendet es sich an einen neuen Kreis, der über die überalterten Print-Leser hinausgeht. Im Gegenteil: Vieles, was wir schon aus Stern, Spiegel und Focus kennen, übernehmen die Frankfurter: Die Struktur, die Reihenfolge der Ressorts und sogar das „Bild der Woche“. Ein Alleinstellungsmerkmal ist nicht zu finden. Käufer der anderen Magazine werden nach der ersten Ausgabe keine Antwort darauf finden, warum sie nun zur FAZ-Version greifen sollten.

Auch eine weitere Ankündigung des Verlages bewahrheitet sich nicht: „Meinungsmache wird kein Kennzeichen der Frankfurter Allgemeinen Woche sein; sie will Meinungsbildung ermöglichen.“ Tatsächlich kommt kein Text – auch außerhalb der Kommentarseite – ohne Meinungen der Autoren aus. Und die sind wiederum nicht wirklich überraschend, sondern bewegen sich bequem auf der Zeitgeist-Welle: Bachmann beleidige den Stammtisch, wenn er sich bei seinen mutmaßlichen Äußerungen auf diesen beziehe. 

Und Redakteur Winand von Petersdorff spricht US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump schlichtweg ab, „daß er der wachsenden Komplexität der Welt intellektuell gewachsen ist“. Alles so irgendwie schon mal gelesen – nicht nur bei den anderen FAZ-Produkten.

Mit Blick auf das Geschäftsumfeld drängt sich eine spektakuläre Frage auf: Bereitet die FAZ etwa ihren Umstieg auf eine Wochenzeitung vor? Dafür spricht die mit der Woche verbundene Hoffnung, „vor allem Jüngere“ anzusprechen. Bei den Alten gibt es zu viele „natürliche Abgänge“, wie das Versterben von Abonnenten im Branchenjargon heißt. Aber auch der Anzeigenschwund sowie Abbestellungen machen die Zeitung mit ihren hochbezahlten Journalisten immer weniger rentabel.

Die Auflage ist in den vergangenen fünf Jahren um 110.000 Exemplare, was mehr als 30 Prozent entspricht, eingebrochen. Aktuell vertreibt sie noch 252.500 Stück, darunter sind allerdings mehr als 34.000 „sonstige Verkäufe“ und kostenlose Bordexemplare. Auch die FAS-Auflage ging im selben Zeitraum um fast 100.000 zurück. Der Trend verstärkt sich: In den vergangenen beiden Quartalen fuhr die FAZ 13,5 und 8,9 Prozent Verluste ein. Doch sollte die Woche als Rettungsboot für den Tanker gedacht sein, so hat die FAZ dieses bereits mit der ersten Ausgabe versenkt.