© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Nicht mal eine Maus käme durch
Einreisen in die Vereinigten Staaten: Freundlicher und professioneller als früher, aber wer trickst, darf gleich zurückfliegen
Ronald Berthold

Auch das noch. Nach dem Überseeflug steht die lange Einreiseprozedur an. Bevor der Urlaub in den USA so richtig beginnt, müssen die Touristen warten, dann mit gewissem Herzklopfen vor den Immigration­officer treten und ungewöhnliche Fragen beantworten. Dieser nuschelt irgendwelche Dinge dahin, die der durch die Anreise ermüdete Ankömmling kaum versteht, zumal wenn er das Schulenglisch in nicht sofort erreichbare Ecken des Gehirns verschoben hat.

Meist geht es um Selbstverständlichkeiten: Was einen in die Vereinigten Staaten verschlägt? Empfehlenswerte Antwort: „Vacation.“ Also Urlaub. Das ist völlig unverdächtig. Wer sagt, er wolle arbeiten, ist raus aus der Lotterie. Und wer keinen Rückflugschein hat, erst recht. Auch wenn das soziale Netz in den USA bei weitem nicht so dicht gestrickt ist wie das deutsche, soll es doch vor allem den Einheimischen zugute kommen – genau wie der Arbeitsmarkt. Den Eindruck zu erwecken, ein wenig herumschmarotzen zu wollen, ist nicht sehr bekömmlich. Derjenige darf zwar auch seinen Koffer auspacken, aber bitte erst dort, wo er gerade hergekommen ist.

Früher erstaunte oft die Frage, was man beruflich mache. Heute erscheint sie logischer. Wer hier wahrheitsgemäß „Imam“, „Waffenhändler“ oder „BND-Beamter“ angibt, für den dürfte sich die Prozedur verlängern. Ein ausführliches Gespräch direkt am Schalter – zum Leidwesen der anderen Touristen – oder gleich in einem Nebenraum schließt sich an. Erscheint der Tourist suspekt, muß er gleich die Rückreise antreten. Übrigens nutzt das Verlangen nach dem Vorgesetzten nichts. Jeder einzelne Officer verfügt über die Allmacht, das Einreise­begehren abzulehnen. Nichts da mit einem Anwalt, der im Land auf Steuerzahlerkosten durch alle Instanzen geht.

Was früher viele echauffiert hat, sehen einige in der Warteschlange inzwischen mit größerer Akzeptanz. Seitdem Menschen über die offenen Grenzen nach Deutschland eingereist sind, die später an den Terroranschlägen in Paris und Brüssel beteiligt waren, nimmt mancher den intensiven Blick der amerikanischen Beamten auf die Personen, die vor diesem stehen, mit mehr Verständnis hin. Auch die gehäuften sexuellen Übergriffe lassen nicht wenige der bei der Einreise genervten Touristen sogar mit begrenztem Wohlwollen auf die scharfen Kontrollen blicken, durch die nicht einmal eine Maus schlüpfen könnte. Warum machen wir das nicht auch so in Deutschland?

A und O für das Wohl und Wehe der US-Grenzschützer sind die bio­metrischen Daten im Paß. Die auf dem Chip im Reisepapier gespeicherten Fingerabdrücke und die Iris-Struktur werden mit denjenigen abgeglichen, über die der Einlaßbegehrende tatsächlich verfügt. Ohne Paß ins Land zu kommen oder mit Dutzenden verschiedenen Identitäten später bei allen möglichen Sozialämtern vorstellig zu werden, ist ziemlich ausgeschlossen.

Der amerikanische Grenzbeamte ist kein fröhlicher Teddywerfer, der nur „herzlich willkommen“ sagt und die Einwanderer dann sofort kostenlos ins Landesinnere fahren läßt. Seine früher gefürchteten Blicke sind freundlicher geworden. Die Warte­zeiten haben sich verkürzt. Oft steht man schon, bevor der Koffer überhaupt da ist, am Gepäckband. Früher ein Ding der Unmöglichkeit. Die Einreisekontrolle kostet also keine wertvolle Urlaubszeit mehr.

Merkel könnte auch noch was lernen

Wie machen das die Amis? Sie haben an vielen Flughäfen unzählige Selbstbedienungsapparate aufgestellt, die in Sekundenschnelle den Paß auslesen und den Touristen bitten, Fingerabdrücke und Gesicht zu zeigen. Und das auch noch auf deutsch. Denn die Sprache ist frei wählbar. Das Ganze dauert ein paar Augenblicke. Dann druckt die Maschine einen Bon aus, den man dem Officer vorlegt. Ein prüfender Blick, noch die Frage nach Beruf sowie Reisegrund, und schon wünscht der Uniformierte einen schönen Urlaub.

Die Einreisekontrollen zu verkürzen, ohne sie zu entschärfen – vielleicht sollte Angela Merkel beim nächsten Washington-Besuch nicht auf dem Regierungs-, sondern auf dem internationalen Flughafen landen. Dort könnte sie möglicherweise mehr lernen als bei den Gesprächen mit Barack Obama.