© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Gutachten zu Stasi-Verstrickung veröffentlicht
Kahanes Ausflucht
Thorsten Hinz

Der gutachterliche Befund, die Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung Anetta Kahane habe mit ihren Stasi-Spitzeldiensten zwischen 1974 und 1982 niemandem geschadet als sich selbst, weil sie mit der Aufkündigung ihren Status als Reisekader verloren habe, kann als Gefälligkeit verbucht werden. 

Denn Bürger aus der Ex-DDR haben schon aus geringeren Anlässen ihre Arbeit verloren und sind durch die mediale Gosse geschleift worden. Die Argumentation ist außerdem verquer. Die Bestimmung zum Reisekader im relativ jungen Alter – Kahane ist Jahrgang 1954 – setzte neben Linientreue ein besonderes Engagement voraus. Bei Frau Kahane bestand es in der Spitzelei. Diejenigen, die lieber ganz auf Westreisen verzichteten, als der Stasi zuzuarbeiten, müßten sich nach der Gutachter-Logik eingestehen, daß das, was sie für Anstand hielten, bloß Naivität und Dummheit war.

Das wäre kaum mehr erwähnenswert, würde Frau Kahane nicht erneut in einem – wie man in der DDR sagte – sensiblen Bereich tätig sein und ihrer Lust an der Überwachung anderer frönen. Ihr Verein leistet informelle Amtshilfe beim Aufspüren sogenannter Haßpropaganda im Netz. Was sagt es über das vereinte Deutschland aus, daß es auf die politisch-ideologische Zuarbeit dieser Frau nicht verzichten mag?