© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Die Opposition reibt sich die Hände
Rheinland-Pfalz: Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP in Mainz sorgt bei zahlreichen Interessenverbänden für einen Aufschrei
Werner Becker

Die Unterschrift unter dem Koalitionsvertrag war noch nicht trocken, da hagelte es schon Kritik. Der Bund der Steuerzahler in Rheinland-Pfalz erhob Einwände gegen ein neues Wissenschaftsressort. Bisher war die Wissenschaft im Bildungsressort untergebracht. „Mehrausgaben für neue Ministerien oder gar ein neues Ministerium, das nur aus parteipolitischer Eitelkeit geschaffen wird, ist pure Steuergeldverschwendung.“

Doch der Kabinettszuschnitt mußte so erfolgen, schließlich hatten die Verhandlungsführer die Interessen dreier Parteien zu berücksichtigen. Nicht einmal sechs Wochen nach der Landtagswahl einigten sich SPD, Grüne und FDP auf die bundesweit erste Ampelkoalition in einem Flächenland. Zuvor hatte die SPD unter Mithilfe der Grünen regiert, wer noch weiter zurückgeht, stößt auch auf eine sozialliberale Tradition an Mosel und Rhein. Nun versuchen es die drei ungleichen Partner zusammen. Fünf Ressorts bleiben der SPD, je zwei entfallen auf die Juniorpartner. Die wiedererstarkte FDP übernimmt ein Superministerium aus Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. Die Liberalen stellen künftig auch den Vize-Ministerpräsidenten, beide Posten soll der Spitzenkandidat Volker Wissing übernehmen. 

Die SPD behält die Ressorts Finanzen, Inneres, Soziales und Arbeit sowie Bildung inklusive der Kitas, hinzu kommt das neue Ministerium Wissenschaft und Kultur. Das Justizministerium müssen die Sozialdemokraten an die FDP abgeben. Die Grünen behalten die Zuständigkeit für Umwelt, hinzu kommt das Thema Energie aus dem bisher grünen Wirtschaftsministerium. Das grüne Integrationsministerium verliert die Zuständigkeit für Kitas und bekommt den Verbraucherschutz hinzu. Die Koalitionsrunde, an der federführend Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), FDP-Landeschef Volker Wissing und die Grünen-Landesvorsitzende Katharina Binz beteiligt waren, hatte bis zuletzt am Zuschnitt der Ministerien gefeilt. 

Doch vor allem von seiten der Interessenverbände gibt es Widerstand. So beurteilt der Gemeinde- und Städtebund den Koalitionsvertrag höchst kritisch und fordert mehr Geld von der künftigen Landesregierung. „Nur mit einer substantiellen Anhebung der Mittel im Finanzausgleich kann das Land seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachkommen, den Kommunen die Finanzausstattung zu sichern, die erforderlich ist“, sagte der Vorsitzende Aloysius Söhngen (CDU) der Rhein-Zeitung. Gegen die Aufsplittung des Landwirtschaftsministeriums hatten zuvor bereits Winzer- und Bauernverbände protestiert, auch von seiten der Naturschützer gab es kritische Anmerkungen. Die designierte alte und neue Ministerpräsidentin verteidigte den Koalitionsvertrag allerdings. Die Ministerien seien nicht ausgenommen von den Sparvorschlägen. „Wir haben sehr wohl überlegt, daß es politisch vertretbar ist“, sagte Dreyer dem Südwestrundfunk. SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer sieht in einer Aufteilung von konventioneller Landwirtschaft und Ökolandbau keine Probleme: „Wichtig ist, daß die Ressorts zusammenarbeiten.“  

Abbau von 2.000 Stellen in den Behörden

Die neue Koalition hat den Abbau von 2.000 Stellen von Landesbediensteten vorgesehen, um weitere Einsparungen im Haushalt zu erreichen. Ministerien und Mittelbehörden müßten „dabei mit gutem Beispiel vorangehen“ und auf 600 Stellen verzichten, heißt es in dem Vertragswerk. Die drei Partner bekennen sich demnach zur Einhaltung der gesetzlichen Schuldenbremse mit einem strukturell ausgeglichenen Haushalt bis 2020. Der Beamtenbund reagierte empört auf die Veröffentlichung der Pläne der neuen Koalition. Der angekündigte Personalabbau in den Landesbehörden sei willkürlich und ein „herber Schlag ins Gesicht des betroffenen Personals“. Das willkürliche Festlegen des Abbaus sei Hokuspokus. 

Julia Klöckner, unterlegene CDU-Herausforderin von Ministerpräsidentin Dreyer, säte sogleich Zweifel daran, daß das neue Bündnis die vollen fünf Jahre übersteht. Schließlich hat „die Ampel“ nur drei Stimmen Mehrheit als die Opposition aus CDU und AfD. Deren Fraktionschef Uwe Junge sieht in dem Koalitionsvertrag denn auch „ein weites Feld für eine kritische Oppositionsarbeit“.