© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Grüße aus Moskau
Malocht wird später
Thomas Fasbender

Alle Jahre wieder beschert die russische Regierung ihren Bürgern Kaskaden arbeitsfreier Tage. Erst recht, wenn wie in diesem Jahr gleich zwei Feiertage auf den 1. Mai fallen: der Tag des Frühlings und der Arbeit sowie das orthodoxe Osterfest. 

Die Absicht, einen Feiertag, der auf ein Wochenende fällt, am Montag nachzuholen, wird inzwischen ja sogar in Deutschland diskutiert. Um aber auch am Dienstag nicht malochen zu müssen, bedient man sich eines im Januar ausgefallenen Feiertags. Der darauffolgende Freitag wird dann um eine Arbeitsstunde gekürzt – Vorbereitung auf noch ein langes Wochenende. 

Erst nach dem Tag des Sieges, also ab dem 10. Mai, werden wieder ernsthaft und – hoffentlich – nüchtern die Ärmel hochgekrempelt.

Der Anlaß ist Grund genug, tief in die Tasche zu greifen. 85 Millionen Rubel – mehr als 1 Million Euro – hat die Stadt am vergangenen Wochenende für gutes Wetter berappt. Von Flugzeugen und Raketen himmelwärts beförderte Chemikalien ließen alle Wolken rechtzeitig abregnen. Über Moskau strahlte eine gleißende Frühlingssonne.

Im „Kampf um die Aufmerksamkeit der schönen Frauen“ gibt es keine Kompromisse.

Fast 110.000 Maidemonstranten – nach offiziellen Angaben – zogen über den Roten Platz, Arbeiter der Stirn und der Faust berufsständisch aufmarschiert: Eisenbahner, Ärzte, Studierende der höheren Lehranstalten. Wen das Fernsehen befragte, der quoll über vor patriotischer Begeisterung. Der 1. Mai, das Frühlingsfest des russischen Volkes. 24.000 bunte Luftballons wurden in den Bahnhöfen der Moskauer Metro verteilt, 300.000 Erste-Mai-Tickets für ein oder zwei Fahrten verkauft.

Blickt man hinter die Kulissen, sind aller Fröhlichkeit zum Trotz die Auswirkungen der Wirtschaftskrise unübersehbar. Restaurants und Geschäftsregale sind deutlich leerer als noch vor ein oder zwei Jahren, und die Preise spiegeln die hohe Inflation. Man spürt den Belagerungszustand, der allenthalben auf den Gemütern lastet. Dazu paßten auch die Ritterspiele zu Ehren des Heiligen Georg im Museumspark Kolomenskoje. Mannschaften aus Rußland, Australien, Deutschland und Holland trugen dort am Maisonntag ihre Rivalitäten aus. 

Damit kein Gegner sich Illusionen macht, hieß es schon im Programmheft ausdrücklich: Die Waffen sind echt. Im „Kampf um den Sieg und die Aufmerksamkeit der schönen Frauen“ gebe es keine Kompromisse.