© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Unter der Kutte mit dem Totenschädel schlägt ein romantisches Herz
Rock’n’Roll: 20 Jahre nach seinem ersten Soloalbum veröffentlicht der Ausnahmegitarrist und Sänger Zakk Wylde jetzt das großartige „Book of Shadows II“
Felix Krautkrämer

Der Bart ist länger geworden und die Oberarme dicker, seit Zakk Wylde vor zwanzig Jahren mit „Book of Shadows“ sein erstes Soloalbum ablieferte. Keine 30 Jahre alt, schmächtig und ausgestattet mit einem schier nicht stillbaren Bierdurst, zeigte Wylde, daß in ihm nicht nur ein begnadeter Gitarrist steckt, sondern auch ein Songwriter von beeindruckender Bandbreite. Bis dahin war er Metal- und Rockfans vor allem als Gitarrist von Ozzy Osbourne bekannt gewesen, dessen Songs er mit seinen spielerischen Riffs eine ganz eigene Note gab und dessen Alben er mit Tracks wie „Mama, I’m Coming Home“ auf „No More Tears“ (1991) maßgeblich prägte. Auch das mag ein Grund dafür gewesen sein, daß Osbourne sich 1995 nach drei erfolgreichen Studioalben von Wylde für einige Jahre als Gitarristen trennte.  

Mit „Book of Shadows“ offenbarte der jetzt 49jährige US-Rocker Wylde, den in seiner Jugend ausgerechnet die Lieder Elton Johns dazu anspornten, Musiker zu werden, mit Akustikgitarre und Klavier seine sanfte und melodische Seite. Aber die Scheibe schien nur ein kurzes Zwischenspiel. Die Folgejahre machte Wylde mit seiner Band Black Label Society (der Name geht auf seine Vorliebe für Whiskey zurück) und einem wesentlich härteren Sound von sich reden. 

Doch nachdem er mit dem 2014 veröffentlichten Black-Label-Album „Catacombs of the Black Vatican“ zwei Jahre lang durch Amerika getourt war, spürte Wylde, daß er eine Pause von den harten Stücken brauchte. Die Idee zu „Book of Shadows II“ war geboren; am 8. April nun erschien das Album.

Herausgekommen sind 14 Titel, in denen ein ruhiger, emotionaler, fast schon sensibler Zakk Wylde seine musikalischen Wurzeln und damit viel über sich selbst preisgibt. Southern Rock, Blues, Country. Einflüsse von Creedance Clearwater Revival klingen ebenso durch wie von Lynyrd Skynyrd, The Allman Brothers Band, Neil Young, Bruce Springsteen, Jimmy Hendrix und den Eagles.

Auch der The-Band-Klassiker „The Weight“ blitzt auf „Book of Shadows II“ durch, als Intro von „Tears of December“. Allerdings hat sich Wylde hier doch etwas unrühmlich am „The-Weight“-Cover von Weezer aus dem Jahr 2008 bedient. Das ist aber auch schon der einzige Minuspunkt des gesamten Albums.

Wylde ist älter geworden, seine Stimme deutlich gereift, die Texte haben an Tiefe gewonnen. Hinzu kommt Wyldes virtuoses Gitarrenspiel, mit seiner beeindruckenden Fingerfertigkeit und seiner Vorliebe für unzählige Variationen der Pentatonik-Leiter. Simple Akkordfolgen gepaart mit diffizilen Solis, mal schnell, mal langsam. Ehrlicher Rock, handgemacht. „Lost Prayer“ beispielsweise kann man schon aufgrund des gefälligen Intros, das sich als Thema durch den gesamten Titel zieht, getrost einen ganzen Tag im CD-Spieler auf Wiederholung stellen. Es nutzt sich auch nach dem zwanzigsten Mal nicht ab. Und im Solo zeigt Wylde, warum er unter den Gitarren-Göttern völlig zu Recht zu den Großen gehört. Einen weiteren Höhepunkt seiner Fingerakrobatik bietet er im vorletzten Titel „Sleeping Dogs“. 

Ob „Forgotten Memory“, „Lay Me Down“ oder „Darkest Hour“: Es fällt schwer, ein Lieblingsstück auf „Book of Shadows II“ zu küren. Das Album bietet über satte 78 Minuten hinweg gelebten Rock’n’Roll. Rauhbein Zakk Wylde, der sein Bier am Klavier aus der Flasche trinkt und auch sonst mit seinem Rocker-Äußeren sein Image als Schwiergmutterschreck pflegt, beweist mit „Book of Shadows II“ einmal mehr, daß unter der Kutte mit Totenschädel ein Romantiker-Herz schlägt. Empfehlenswert!

Zakk Wylde Book of Shadows II Spinefarm (Universal Music), 2016  www.zakkwylde.com