© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Parteilicher Regierungsfunk
Jürgen Liminski, Hugo Müller-Vogg und Nicolaus Fest diskutierten über die öffentlich-rechtlichen Sender
Ansgar Lange

Wäre ein Regierungsfunk nicht ehrlicher und besser als das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem? Nicolaus Fest, ehemals stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag, drückte der Diskussion des Mai-Kolloqiums „Kirche-Medien“ im Bonner Bristol-Hotel mit dieser kühnen These seinen Stempel auf. Neben einem sehr bürgerlichen Publikum waren auch auffallend viele junge Teilnehmer der Einladung des Instituts für Gesellschaftswissenschaften Walberberg unter Leitung von Wolfgang Ockenfels gefolgt und führten eine angeregte Diskussion zum Thema „Probleme mit den Öffentlich-Rechtlichen: Qualitätsverluste, Parteilichkeit, Zwangsgebühren“.

Der Gastgeber sagte zu Beginn, daß ihm oft der „Priesterkragen“ platze beim Blick auf unser GEZ-System. Mit über acht Milliarden Euro pro Jahr nehmen ARD, ZDF und Co. mehr ein als beide Kirchen zusammen an Kirchensteuer. Das Ergebnis dieses Geldsegens falle oft mager aus, so der Konsens der Diskutanten. Nach rund 26 Jahren Tätigkeit für den Deutschlandfunk wollte Jürgen Liminski keine Abrechnung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber liefern. In seiner sehr persönlichen Ansprache lieferte er interessante Einblicke in ein System, in dem sich zwei Drittel der Journalisten als links von der Mitte definieren.

Bei den Themen Ehe/Familie/Partnerschaft sowie Glauben/Kirche werde die Diskrepanz zwischen der Lebenswirklichkeit der Journalisten und der „normalen“ Menschen besonders deutlich. Handwerkliche Fertigkeiten würden immer geringer geschätzt. In den Redaktionen herrsche eine Diktatur des Relativismus. Ein Empörungsjournalismus sei an die Stelle eines an den Fakten orientierten Sendens und Schreibens geraten. Caren Miosga, Marietta Slomka und Claus Kleber seien die Gesichter dieses Betroffenheitsjournalismus. Gemäß dem Motto von Wolfgang Herles, wonach man im Seichten nicht ersaufen kann, lieferten die GEZ-Sender neben moraliner Empörung viel Unterhaltung und Talkshows. Anregende oder gar anstößige Ideen und Gedanken: Mangelware.

Der frühere FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg widmete sich vor allem dem Fernsehen. In seiner Argumentation wirkte der Referent etwas unentschlossen. Zwar konnte er sich eine Medienlandschaft ohne Öffentlich-Rechtliche nicht vorstellen, doch journalistische Glanzstücke konnte er neben Arte nicht vorweisen. Und braucht man für solche Nischenprogramme über acht Milliarden Euro im Jahr, fragte Fest kritisch.

„Lindenstraße“ ist politische Korrektheit in Reinkultur

Müller-Vogg machte deutlich, daß Politik bei den Staatssendern vornehmlich über die Unterhaltung gemacht werde. Er bekannte sich dazu, die „Lindenstraße“ zu sehen, um politische Korrektheit in Reinkultur zu genießen. Die beiden widerlichsten Figuren der Serien seien sonntags in die Kirche gegangen und hätten CSU gewählt, niemand sei für seine Probleme verantwortlich, sondern immer nur die Gesellschaft, und die nettesten Figuren in der „Lindenstraße“ hätten Migrationshintergrund.

Auch wenn der Vorwurf der „Lügenpresse“ vielleicht über das Ziel hinausschießt und polemisch ist, zeigte der frühere FAZ-Mann doch auf, wie insbesondere das Fernsehen über die Bildsprache die Flüchtlingsdebatte geprägt habe. Überall Frauen mit kleinen Kindern, während man junge Männer kaum zu Gesicht bekommt. Ähnlich wie Liminski sah auch Müller-Vogg große Finanzierungsprobleme auf die Öffentlich-Rechtlichen zukommen. Wegen der gigantischen Pensionslasten müsse schon heute am Programm gespart werden. 

Die knackigste These lieferte Schlußredner Fest. Er hält das System für unreformierbar. Ehrlicher sei es, mehr Staatsnähe zu probieren. Die Landesrundfunkanstalten sollten sich zu reinen Regierungssendern wandeln, für deren Programm der jeweilige Kultusminister verantwortlich sei. Denn erst dann gebe es eine echte politische Verantwortung. Politiker, die für ein schlechtes Programm Verantwortung trügen oder nicht wirtschaftlich gehandelt hätten, müßten sich dann dem Wähler stellen. Entweder, so Fests These, solle man das ganze System abschaffen oder als sichtbaren, nicht wie jetzt verdeckten Staats- oder Regierungsfunk neu schaffen.

Liminski konnte dieser Argumentation viel abgewinnen, denn heute laufe das Ganze im geheimen und sei viel verlogener. Das öffentlich-rechtliche System tue nach außen hin so, als sei es unabhängig, während konservative oder gar rechte Journalisten zum Beispiel als Kommentatoren kaum zum Zug kämen.

Fest kritisierte das Programm des „Qualitätsfernsehens“ fundamental: Boxen und Biathlon gehörten seiner Meinung nach nicht zur Grundversorgung. Künstlerische, kulturelle und musische Bildung finde nicht statt. Zum 400. Todestag Shakespeares hätten die Sender fast nichts gebracht. Print sei besser, ARD und ZDF ein einziger kulturfreier Raum. Die größte Leistung des Abends vollbrachte aber Gastgeber Ockenfels: Er mußte für mehrere Stunden auf den Genuß seiner geliebten italienischen Toscani-Zigarren verzichten.