© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Gegen die Kameraden von morgen
Eine Tagung der Preußeninstituts Ende April widmete sich der Schlacht von Langensalza von 1866 und der preußischen Annexion Hannovers
Matthias Bäkermann

Letztlich sollte eine Lehre von Clausewitz sich auch Ende Juni 1866 bewahrheiten: „Ein Krieg besteht nicht aus einem einzigen Schlag ohne Dauer.“ Die Truppen König Georg V. von Hannover hatten am Abend des 27. Juni 1866 zwar eine siegreiche Schlacht gegen die Preußen geschlagen, doch dem hannoverschen General Alexander von Arentschildt war bewußt, daß weiter andauernde Gefechte gegen den bei Langensalza unterlegenen Feind nicht mehr möglich waren. Seine erschöpften knapp 20.000 Mann waren in ihrem Feldlager nördlich der Unstrut weder in der Lage, die zahlenmäßig deutlich schwächeren preußischen Truppen zu verfolgen oder zu den Bundesgenossen nach Bayern durchzubrechen, noch bestand irgendeine Aussicht, ohne Nachschub – vor allem an Munition – die Stellung abermals gegen die von allen Richtungen aufziehende Verstärkung der Preußen zu behaupten. Ihm und seinem bei der Truppe anwesenden König Georg blieb nichts weiter übrig, als kurze Zeit später gegenüber dem besiegten Feind zu kapitulieren.

Nicht nur das kuriose Ende dieser letzten großen Feldschlacht auf deutschem Boden, in der Deutsche auf Deutsche schossen, war für das Preußeninstitut Grund genug, bei ihrer Jahrestagung im thüringischen Mühlhausen die Schlacht von Langensalza in den Fokus zu rücken. Wie der Historiker Jürgen W. Schmidt (Berlin) betonte, sind besonders die dieser militärischen Episode folgenden politischen Ereignisse bemerkenswert. Denn der Auflösung des hannoverschen Heeres und der Annexion Hannovers in den preußischen Staatsverband folgte eine erstaunliche „Integration der Besiegten“, aus Hannoveranern sollten Preußen werden. So wie aus dem unglücklichen General Arentschildt 1867 ein preußischer General werden sollte, übrigens bei gleichem Dienstrang und Besoldung. Trotz mancher melancholisch-trotzigen Behauptung des welfischen Erbes zwischen Harz, Weser und Elbe in den Jahrzehnten nach 1866 funktionierte dort die Etablierung der effektiven preußischen Verwaltung reibungslos und machte den neuen Untertanen König Wilhelms Regentschaft erträglich. Daß der siegreiche Krieg gegen Frankreich vier Jahre später und die Reichseinigung 1871 eine besondere integrative Kraft ausmachten, war nicht nur unter den ehemaligen Soldaten zu spüren, die sich zuvor in der sengenden Junihitze Thüringens gegenüberstanden. 

Tatsächlich zeugte der Umgang zwischen den Feinden im „Bruderkrieg“ von einer gewissen Ritterlichkeit. Darauf machte auch der Militärhistoriker Manfred Linck (Halle) aufmerksam, der den Kontrast zum zeitgenössischen und mit brutaler Unerbittlichkeit geführten Sezessionskrieg in den USA hervorhob. Nach der Schlacht seien die meisten Hannoveraner lediglich entwaffnet worden und dann ohne weitere Aufsicht in ihre Heimat geschickt worden, den Offizieren ließ man ihre Waffen. Als nach der Kapitulation Georgs ein beteiligtes preußisches Regiment für eine geplante Feier ein Faß Moselwein geliefert bekam, zögerten die Offiziere nicht lange, um ihren Wein verwundeten hannoverschen Offizieren ins Lazarett liefern zu lassen.

 Die knapp 600 Gefallenen beider Seiten wurden danach zwar wie damals üblich in Massengräbern bei Langensalza bestattet, aber immerhin konnten die 2.000 Verwundeten erstmals in der Geschichte auf die Dienstleistungen des Roten Kreuzes hoffen. Freiwillige eines Turnvereins aus dem nahen Gotha leisteten unter dem Zeichen der nach der Schlacht von Solferino (1859) vom Schweizer Henry Dunant gegründeten Organisation ihren Dienst in den Lazaretten. 

Warum König Georg V. von Hannover überhaupt zum Feind Preußens geworden war und mit Ausbruch des Krieges seine Truppen in Richtung Süden marschieren ließ, von wo sie gemeinsam mit den Alliierten aus Bayern oder Österreich gegen Bismarcks Preußen losschlagen sollten, könne er auch durch intensive Erforschung seiner Vita nicht ergründen, gab sich Jürgen W. Schmidt ratlos. Gerade weil die Welfen durch Heiratspolitik über Generationen eng mit den Hohenzollern verwandt waren, sei Georgs Haltung kaum erklärlich. 

Als nach dem Sieg in Königgrätz und dem Frieden von Prag Otto zu Stolberg-Wernigerode als neuer Oberpräsident der preußischen Provinz Hannover im Schloß Herrenhausen, König Georgs al-

tem Domizil, einzog, flüchtete der welfische Monarch ins Pariser Exil. Die politische Stimmung in seiner Heimat völlig verkennend, richtete er sogar seine Hoffnungen darauf, mit einer „Welfenlegion“ von Freiwilligen mit den Franzosen gegen Preußen um seinen verlorenen Thron zu kämpfen. Dazu sollte es jedoch nie kommen: Seit’ an Seit’ kämpften Georgs Untertanen nun mit ihren preußischen Kameraden für ein Deutsches Reich gegen sein Gastland, wo der verbitterte Mon-arch 1878 starb.


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