© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Es herrschen nur noch Heuchelei und Scheinheiligkeit
Der Fernsehjournalist Hans-Hermann Gockel über die politischen Verirrungen im Zeitalter der hiesigen „Willkommenskultur“
Claus Hörrmann

Immer mehr Bürgermeister, Stadtkämmerer und Sozialämter treibe angesichts der immens steigenden Ausgaben für die zu betreuenden Migranten die Sorge um unser Land um. Sie befürchten, daß Deutschland dabei zunehmend handlungsunfähig und letztlich gegen die Wand gefahren wird. Gleichzeitig mache sich eine wahre „Gedankenfeigheit“ breit. Hans-Hermann Gockel, der sich als TV-Journalist bei Sat.1 und N24 einen Namen gemacht hat und auch als Autor dieses Blattes des öfteren in Erscheinung tritt, greift damit ein Wort des Sozialdemokraten Klaus von Dohnanyi auf, der diesen Begriff einst prägte. So macht er deutlich, wie sehr die gesamte Flüchtlingsdiskussion letztlich von Heuchelei und Scheinheiligkeit geprägt ist. 

Dabei wäre es gerade die Aufgabe der regierenden Politiker, mit Rückgrat aufrichtig und ehrlich die auftretenden Probleme klar zu benennen und auch unkonventionelle Lösungswege dafür aufzuzeigen. Stattdessen werde zunehmend Alternativlosigkeit gepredigt. Viele politische Entscheidungen wirken dabei immer mehr hilflos, planlos und machtleer. Zur Verdeutlichung nimmt Gockel konkret seine Heimatstadt Bielefeld unter die Lupe und wirft ihr „Schönrechnerei“ vor. So bezweifelt er die dortigen Berechungen zu den Ausgaben für Asylbewerber und widerspricht deutlich den amtlichen Angaben seiner Gemeinde. Dazu hat er ausgiebig recherchiert, viele kommunalpolitische Veranstaltungen besucht und diverse städtische Dokumente studiert.

Anhand harter Fakten weist der Autor nach, wie sich nicht nur in Bielefeld immer mehr Politiker bemühen, ihren Bürgern die nüchternen Kosten für die zu betreuenden Migranten und Flüchtlinge zu verschweigen. So werden oft Ausgaben für ganze Containerdörfer, Zeltstädte, weitere Lehrkräfte und Sozialpädagogen, die Verwaltungen, zusätzliche Polizeieinsätze sowie die Instandsetzungsarbeiten in den Flüchtlingsunterkünften schlichtweg unterschlagen. 

Gockels These, daß der Bundestag keine Marionetten braucht, die nur willfährig die Hand heben, sondern sich immer wieder an ihren Amtseid erinnern, um alles zum Wohle des Volkes zu tun, belegt er mit zahlreichen abschreckenden Beispielen. Auch mit dem Begriff der „Willkommenskultur“ setzt sich der Autor kritisch auseinander und hinterfragt die Tatsache, daß nicht wenige der Asylbegehrenden letztlich die für sie entscheidende Frage bewegt, wo sie mit geringstem Aufwand den größten persönlichen Nutzen haben werden. Die Tatsache, daß nur zwei Prozent der über das Mittelmeer Geflüchteten einen Paß besitzen, allerdings mehr als jeder zweite ein Handy hat, sollte dabei zu denken geben. Ohne die Ereignisse der Silvesternacht 2015 beim Verfassen seines Buches gekannt zu haben, verdeutlicht der Autor ebenso treffend wie beängstigend, daß eine schutzlose Gesellschaft letztlich keine Zukunft mehr habe. Die verantwortlichen Politiker sowohl auf kommunaler, Landes- und Bundesebene würden ihrer Pflicht, diesen Schutz sicherzustellen, in keiner Weise mehr gerecht werden.

Vieles, was in der Flüchtlingspolitik gegenwärtig schiefläuft, entlarvt der Autor als das, was es tatsächlich ist, nämlich ein Systemfehler. So stellt er beispielsweise das Kirchenasyl in Frage, das immer dann mißbraucht wird, wenn der Staat nach reichlicher und absolut rechtsstaatlichen Prüfungen einen Asylantrag als unbegründet abgewiesen hat und die Betreffenden zur Ausreise aus Deutschland auffordert.

Der Staat kann nicht mehr die Kernaufgaben erfüllen

Zugleich spricht Gockel auch die Medien nicht frei, die dabei oft entscheidende Fakten bewußt unterdrücken oder schönreden, um den Zuschauern, Hörern und Lesern genau die Bilder zu suggerieren, die ihren eigenen und uns zu vermittelnden Wert- und Moralvorstellungen bzw. Denkmodellen entsprechen. Von da bis zum Scheitern eines Staates, der seine drei Kernaufgaben Wohlfahrt, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit nicht mehr erfüllen kann, ist es nach Ansicht des Autors dann nur noch ein erschreckend kleiner Schritt.

Intensiv setzt sich das Buch auch mit der neuen Moralkeule „Islamophobie“ auseinander und belegt, wie Kirchenvertreter, aber auch die Justiz vor unberechtigten Forderungen von Islamverbänden und Muslimen kuschen und eigene christliche Werte nur halbherzig verteidigen. Daß dabei mit den Geldströmen der Saudis eine zunehmende Islamisierung Deutschlands geduldet wird, ist gerade heute Gegenstand vieler Debatten.

Hans-Hermann Gockel: Finale Deutschland. Asyl, Islam, Innere Sicherheit. Mit Klartext gegen die Gedankenfeigheit.HHG-Verlag, Bielefeld 2015, gebunden, 303 Seiten, 19,99 Euro