© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Frisch gepresst

Systemwechsel. Im Gefolge der 2008 eskalierten US-Finanzkrise erlebt die nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks fast verstummte Kapitalismuskritik eine glänzende Renaissance. Zumal „Kollateralschäden“ wie Umweltzerstörung oder Massenmigration, die der neoliberal radikalisierte Kapitalismus im globalen Süden verursacht, seit kurzem im Norden empfindlicher zu spüren sind und das System selbst in Frage stellen, weil dessen zentrale Legitimation, Wohlstand für immer mehr Menschen zu schaffen und über den „Markt“ soziale Gerechtigkeit herzustellen, sich als Ideologie pur erweist. Anders als in linken Milieus Westeuropas, fehlt es aber derzeit in Deutschland, seit Humboldt und Novalis, Marx und Abbe, Heideg-ger und Marcuse, stets geistiges Weltzentrum im Kampf gegen das reduktionistische Menschenbild angelsächsischer „Rechenmeister“ (Adam Müller), an sozioökonomischen Alternativplanern. In den intellektuell auf den Hund gekommenen „Altparteien“ ist es sogar allein Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linken im Bundestag, die sich als ernstzunehmende Kritikerin des „Kasinokapitalismus“ (Hans-Werner Sinn) profiliert. Was auch ihr Konzept einer neuen Wirtschaftsordnung bestätigt, das ihr jüngstes Buch „Reichtum ohne Gier“ entwickelt. Pate stehen dabei nicht Marx und Engels, wie etwa für den auf radikaldemokratisch-revolutionäre Umwälzungen hoffenden Slavoj Žižek (London), sondern das soziale Unternehmertum Ernst Abbes und der Ordoliberalismus Ludwig Erhards. (wm)

Sahra Wagenknecht: Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016, gebunden, 292 Seiten, 19,95 Euro





Erster Weltkrieg. „Blankoscheck“, „Brussilow-Offensive“, „Der Militärstaat Ober-Ost“ oder „Aus Sauerkraut wird liberty cabbage“ – so heißen einige der 92 Kapitel, in denen der emeritierte Innsbrucker Historiker Rolf Steininger ebenso bündig wie facettenreich den Ersten Weltkrieg beschreibt. Seine ursprünglich seit 2014 in der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten publizierten kurzen Essays hat er nun in einem Taschenbuch zusammengefaßt. Dabei bietet sein lesenswertes Mosaik unterschiedlichster Themen – naturgemäß mit einem kleinen Schwerpunkt auf das Kriegsgeschehen in Tirol – ein stimmigeres Gesamtbild als manch mehrbändige Werke. (bä)

Rolf Steininger: Der große Krieg 1914–1918 in 92 Kapiteln. Lau Verlag, Reinbek 2016, broschiert, 262 Seiten, 12,95 Euro