© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/16 / 13. Mai 2016

Alle Blicke richten sich auf London
Kommunalwahl Großbritannien: Die Hauptstadt setzt mit der Wahl Sadiq Khans Akzente / Labour-Schmach in Schottland / Ukip überrascht in Wales
Daniel Körtel

Großbritannien wählte, doch plötzlich richteten sich alle Augen auf London. Denn mit Sadiq Khan (Labour), dessen Eltern aus Pakistan einwanderten, kommt erstmals ein schiitisch-muslimischer Kandidat in das höchste Amt der Stadt. Mit rund 57 Prozent der Stimmen siegte er deutlich vor  dem Konservativen Zac Goldsmith, Sohn des Milliardärs Sir James Goldsmith. 

Zwar teilte Khan, der bei der letzten Labour-Regierung als Staatsminister für Verkehr tätig war, nach seinem Sieg deutlich aus, indem er den Wahlkampf der konservativen Torys mit dem „rassistischen“ des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump verglich. Unter anderem hatte Premier David Cameron Khan vorgeworfen, mehrere Male Veranstaltungen des radikalislamischen Predigers Suleiman Ghani besucht zu haben. Doch nun will der 45jährige Bürgermeister aller Londoner sein – genauer gesagt den steigenden Mieten und Immobilienpreisen Einhalt gebieten, den überlasteten Nahverkehr modernisieren, die Verschmutzung bekämpfen und sich für mehr und besser bezahlte Jobs einsetzen. 

Khans Sieg ist dem einen strammen Linksaußen-Kurs verfolgenden Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn keine Hilfe. In einem Zeitungsbeitrag kurz nach seiner Wahl empfahl Khan seiner Partei hingegen einen Kurs der Mitte: „Labour muß ein großes Zelt sein, das alle anzieht – nicht nur die eigenen Aktivisten.“ Aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) hat er allerdings nie einen Hehl gemacht.

Aufgrund der uneinheitlichen Wahlergebnisse vom vergangenen Donnerstag läßt sich keine Voraussage ableiten für den Ausgang des Brexit-Referendums Ende Juni. In Schottland ist eine deutliche Ablehnung des EU-Austritts zu erwarten und in Nordirland eine knappe. Doch die englischen Kernlande und Wales machen etwa 90 Prozent der Wählerschaft aus, die letztlich das Ergebnis bestimmen werden.

Neue Abstimmung für die Unabhängigkeit Schottlands

Bei den Wahlen zum schottischen Regionalparlament – den ersten nach dem Unabhängigkeitsreferendum 2014 – setzte sich die Erosion von Labour fort. Labour wurde mit 24 Sitzen (minus 13) auf den dritten Platz hinter den einst in Schottland so verhaßten Konservativen verwiesen, die wiederum mit 31 Sitzen (plus 16) ihr bestes Wahlergebnis seit Einführung der schottischen Selbstverwaltung erzielen konnten. Mit 63 Sitzen an der Spitze steht nach wie vor die von Nicola Sturgeon geführte SNP (Scottish National Party), die ihre absolute Mehrheit nur knapp verlor und wie in den vergangenen neun Jahren auch die nächste schottische Regierung stellen wird. Unterdessen kündigte Sturgeon für diesen Sommer einen Neustart der Unabhängigkeitskampagne ihrer Partei an.

In Wales hingegen konnte sich Labour unter leichten Verlusten als stärkste Kraft im neuen Regionalparlament behaupten, knapp unterhalb der absoluten Mehrheit von 30 Sitzen. Ihr folgt unter leichten Gewinnen mit zwölf Sitzen die republikanische Unabhängigkeitsbewegung Plaid Cymru, während die Konservativen elf Sitze erzielten. Die Überraschung lieferte die Ukip, die gleich mit sieben Abgeordneten in das Regionalparlament einzog. 

Marginale Veränderungen in der parteipolitischen Landschaft Nordirlands brachte die Wahl zum Stormont, dem Regionalparlament. Die einstige Unruheprovinz Großbritanniens wird auch weiterhin von einem Block aus der protestantischen, probritischen DUP (Democratic Unionist Party) und der linksnationalistischen, die Wiedervereinigung mit der Republik Irland anstrebenden Sinn Fein („Wir selbst“) dominiert. 

Die DUP konnte ihr Rekordergebnis aus den vergangenen Wahlen mit 29,2 Prozent halten und stellt mit Arlene Foster auch künftig den First Minister. Geringe Verluste ergaben sich für die SF (24 Prozent). Sie wird mit Martin McGuinness, einem früheren Kommandanten der IRA, auch weiterhin das Amt des Deputy First Minister besetzen.