© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/16 / 13. Mai 2016

CD-Kritik: Christian Thielemann
Re-Romantisierung
Jens Knorr

Im Jahre 2009 nahm der kurzfristig einspringende Christian Thielemann die Musiker der Dresdner Staatskapelle und den Posten des Generalmusikdirektors mit Bruckner für sich ein. Jede seiner Spielzeiten hat er mit einer Bruckner-Symphonie eröffnet, 2012 seine erste mit der Siebten.

Thielemann scheint zu sehr mit der Inneneinrichtung des Fertighauses Symphonie befaßt, als daß er die Staatskapelle ermutigte, erst in der Aufführung den Bau Stein für Stein zu fügen. Er dirigiert und sie spielen Bruckners Variantentechnik als entwickelte Variation, und so blendend sie ihren Meister auch zelebrieren: Bruckners Werk- und Weltkonzeption bleibt ihnen stumpf. Der Mythos Dresdner Wunderharfe allein richtet nicht alles.

In Thielemanns erste Spielzeit fiel auch ein Herrenabend der besonderen Art. Zum Abschluß des „Zweiten Allgemeinen Männergesangsfestes in Dresden“, 1843, hatte der Kgl. Hofkapellmeister und Leiter der Dresdner Liedertafel, ein gewisser Richard Wagner, in der Dresdner Frauenkirche sein als „Biblische Szene“ deklariertes Oratorium „Das Liebesmahl der Apostel“ zur Uraufführung gebracht. Anläßlich des 200. Geburtstages hat Thielemann als zweiter Dirigent, nach Marc Minkowski, im Mai 2013 das Duplikat des Originalschauplatzes mit Wagners Chorwerk erfüllt.

Anton Bruckner Symphonie Nr. 7 / Richard Wagner: Das Liebesmahl der Apostel Profil Edition Günter Hänssler, 2016 www.haensslerprofil.de