© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Lesereinspruch

Defizitäre Darstellung

Zu: „Kompakte Klangmassen“ von Wiebke Dethlefs (JF 19/16)

Ich schätze die biographischen Würdigungen in der JF, da nie nur blanke Hagiographie betrieben wird. Doch hier, zum 100. Todestag Max Regers, werden Sie diesem Anspruch nicht gerecht. Daß wesentliche biographische Punkte (sein Katholizismus, seine Exkommunikation wegen Heirat mit einer geschiedenen Frau und seine – obwohl „katholisch bis in die Fingerspitzen“ – Vorliebe für protestantische Choräle) fehlen, mag noch angehen, aber sein fast abgöttisches Vorbild J. S. Bach nur am Rande zu erwähnen, läßt Wesentliches vermissen. Zudem werden übermäßig die unbestreitbaren Defizite betont, daß sich ein Uneingeweihter fragen muß, worin eigentlich die Größe Regers bestehen soll. Immerhin war Reger der wahrscheinlich beste Kontrapunktiker nach Bach, und auch ein glänzender Harmoniker, etwa in der BACH-Fantasie. Ihm die Auflösung der Harmonie „anzukreiden“ greift zu kurz, das haben andere später noch viel weitgehender getan. Im Konzertsaal ist Reger, mit Ausnahme der Variationswerke, in der Tat wenig vertreten. Allerdings avancierte Reger bei Orgelkonzerten in den letzten Jahren zu einem der meistgespielten Komponisten.

Rainer Fischer, Halle