© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Schwere Bräute, leichte Beute
Die Habibis von Hurghada: In Ägypten machen sich junge Männer gezielt an westliche Touristinnen heran, um sie finanziell auszunutzen
Hinrich Rohbohm

Zielgerichtet und mit einem erfrischenden Lächeln bewaffnet kommt der ägyptische Animateur auf zwei korpulent gebaute deutsche Urlauberinnen zu, die es sich auf einer Liege am Strand von Hurghada, am Roten Meer bequem gemacht haben.  „Hi, wollt ihr nachher bei unserer Spiele-Show mitmachen?“ fragt er in perfektem Deutsch, jetzt noch breiter lächelnd. Die Damen wollen. „Wo kommt ihr her? Ah, Düsseldorf. Mein Cousin lebt dort. Tolle Stadt“, sagt er. „Seit wann seid ihr in Hurghada? Habt ihr schon was von Ägypten gesehen? Nein? Also, wenn ihr etwas unternehmen wollt, sagt gern Bescheid, ich kann alles für euch organisieren.“

Es ist eine Konversation, wie sie häufig in den Hotelanlagen am Roten Meer beginnt. Der Urlaubsort Hurghada hat sich neben der tunesischen Insel Djerba zu einem Hotspot für arabisch-nordafrikanische Gigolos entwickelt. Ihre Opfer sind nicht selten deutsche Frauen, die den Verführungskünsten der Männer erliegen, sie heiraten, mit Geld versorgen und nach Deutschland holen. Die Männer wissen das. Wissen durch Mund- zu-Mund-Propaganda davon, wie leicht es ist, eine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu bekommen, wenn sie erst das Herz einer Urlauberin für sich gewonnen haben. Sie wissen von den für ägyptische Verhältnisse hohen und lukrativen Sozialleistungen des Staates, von den hohen Einkommen und der Naivität vieler Frauen. Darüber, wie erfolgversprechend es sein kann, eine deutsche Frau als Sponsor für sich zu gewinnen.

„Die meisten Frauen sind so naiv, wie ich es auch war“

Fast jeder von ihnen hat Verwandte, die in Deutschland leben oder gelebt haben und sie mit Informationen versorgen.

Was als unverfängliches Gespräch am Strand beginnt, endet oft in einer Scheinehe, mit dem Ziel, die Familie in der Heimat zu versorgen. Jene Familie mitsamt ägyptischer Ehefrau, von der die Opfer in der Regel nichts wissen oder erst von ihr erfahren, wenn es bereits zu spät ist.

Wenige Sonnenliegen von dem Geschehen entfernt sitzt Natascha Kiowski (Namen von der Redaktion geändert) auf und blickt auf das Meer hinaus. Die 52jährige hat das Gespräch mitbekommen und teils belustigt, teils verbittert verfolgt. „Leichte Beute für ihn“, schätzt sie die Situation ein. Die Gelsenkirchenerin fährt seit elf Jahren regelmäßig nach Ägypten. „Ein- bis zweimal im Jahr Sonne tanken. Immer dann, wenn es bei uns zu Hause wettermäßig beginnt, ungemütlich zu werden.“ Dann zieht es die geschiedene Bürokauffrau nach Hurghada, ans Rote Meer.

„Anfangs bin ich wegen der Korallenriffe gekommen“, erzählt die Hobbytaucherin. Doch dann, es war ihr zweiter Ägypten-Urlaub, lernte sie ihn kennen. „Meinen ersten Habibi“, wie sie Said nennt. Habibi, das ist die arabische Bezeichnung für Geliebter. Der 15 Jahre jüngere Mann arbeitete auch als Animateur in jenem Hotel, in dem Natascha Kiowski damals ihren Urlaub verbrachte.

„Da wußte ich natürlich nicht, was für ein abgekartetes Spiel er mit mir spielte“, erinnert sie sich. Es hatte ganz harmlos begonnen. Er gestaltete das Animationsprogramm, unterhielt die Hotelgäste mit Spielen und ein wenig Sport. „Der ideale Job, um mit Frauen aus Europa ins Gespräch zu kommen.“ Sie kamen sich näher, scherzten, lachten. Später verabredeten sie sich zu gemeinsamen Strandspaziergängen, verliebten sich ineinander. „Das dachte ich zumindest. Daß ich für ihn nur Geldautomat und Fahrkarte nach Deutschland sein sollte, begriff ich erst viel später.“

Nach dem Urlaub blieben sie in Kontakt, telefonierten und schrieben sich täglich E-Mails. „Irgendwann kam dann die Geschichte von der kranken Mutter, die ärztliche Versorgung benötigte, aber für die in der Familie keiner das Geld aufbringen konnte. Ich glaubte ihm, weil ich wußte, wie niedrig das Einkommen der Leute in Ägypten ist.“ Mehrere tausend Euro wechselten ihren Besitzer.

Er schrieb ihr immer wieder, wie sehr er sie vermisse und wann sie wieder nach Hurghada komme. Später lud sie ihn nach Deutschland ein. „Er hatte mir die Welt zu Füßen gelegt, tat alles für mich.“ Sie heirateten. Und der freundliche, hilfsbereite Mann verwandelte sich von Dr. Jekyll in Mr. Hyde. „Er hatte ja sein Ziel erreicht“, schildert Natascha Kiowski in bittertrockenem Ton. Von da an habe er sie wie „Dreck“ behandelt, sie geschlagen, immer wieder von ihr Geld verlangt, Affären mit jüngeren Frauen gehabt. „Auch, daß er längst verheiratet war und mit einer Ägypterin Kinder hatte, erfuhr ich erst viel später.“

Sie trennte sich von ihm. Said lebe heute weiter in Deutschland – von Hartz IV. Für ägyptische Verhältnisse ein durchaus lukratives Einkommen. „So etwas passiert mir nie wieder“, ist sich Natascha Kiowski sicher. Sie fährt noch immer nach Hurghada, liebt diesen Ort. „Aber jetzt steht bei mir wieder das Tauchen im Mittelpunkt.“

Gelegentlich warnt sie auch Frauen, die sich auf das Spiel mit den ägyptischen Romeos einlassen. „Das Problem ist aber, daß die meisten ja genauso naiv sind wie ich damals und sich das alles nicht vorstellen können.“ Und Liebe mache die Menschen eben auch oft blind für das Offensichtliche.

Sie sagt aber auch: „Man kann deshalb nicht alle jungen Ägypter einfach an den Pranger stellen. Die Verdienstmöglichkeiten für sie sind hier sehr gering und ihre Familien müssen versorgt werden. Da ist es doch kein Wunder, daß sie alles versuchen, um an das Geld wohlhabender Europäerinnen zu kommen.“ Und: „Wir Frauen sind oft auch selbst schuld. Ein konsequentes Nein gegenüber solchen Annäherungen wird vielleicht nicht sofort, aber letztlich doch akzeptiert. Es kommt doch nur deshalb so weit, weil sich Frauen auf die Flirts einlassen.“ Andererseits mache die Unwissenheit über dieses „Geschäftsmodell“ es vielen Gigolos leicht, an ihr Ziel zu gelangen.

Sie arbeiten in den großen Hotel-Resorts von Hurghada. Als Animateure, wodurch sie leicht in Kontakt mit den europäischen Urlaubsgästen kommen. Aber auch als Kellner, Barkeeper, Rezeptionist, Tauchlehrer oder Rettungsschwimmer sind sie tätig. Nicht selten haben sie gleich mehrere Affären.

Offiziell sind die Flirts      für das Personal tabu

Wie etwa Muhammad, ein 29 Jahre alter Mitarbeiter eines der zahlreichen Hotel-Resorts, der sich um die Strandliegen kümmert. Als regelmäßige Hurghada-Urlauberin kennt Natascha Kiowski ihn schon seit einigen Jahren mit Namen. „Der ist bekannt hier, immer nett, immer aufmerksam. Aber er hat es faustdick hinter den Ohren“, sagt sie. Jedes Jahr sehe sie ihn an diesem Strandabschnitt. „Und jedes Jahr zieht er seine Masche bei einer anderen ab.“ Einmal sogar bei Mutter und Tochter gleichzeitig. „Die hatten sich dann allen Ernstes darum gestritten, wer von beiden zuerst von ihm den Rücken eingecremt bekommt.“

Wir heften uns an die Fersen von Muhammad, wollen wissen, mit welchen Methoden er seine Opfer dazu bringt, ihm zu verfallen. Dabei wird schnell klar: Muhammad ist bei mehreren Opfern gleichzeitig aktiv. Da ist die wohlbeleibte Mittvierzigerin mit den blondgefärbten Haaren, mit der er sich zu einem Strandspaziergang nach Feierabend verabredet. Und da sind die beiden jüngeren Frauen aus Münster, denen er das Kamelreiten in der untergehenden Abendsonne am Meer schmackhaft macht. „Ein Bruder von mir macht das, ich kann da einen Sonderpreis für euch bekommen. Und nachher können wir uns an der Bar treffen, wenn ihr wollt.“

Alles läuft jedoch sehr dezent ab. Denn offiziell sind Flirts zwischen Hotelpersonal und Gästen absolut tabu. In Hurghada hat sich daher ein regelrechter Markt für Appartments entwickelt, auf die europäische Frauen mit ihren Habibis ausweichen. Eine weitere Methode ist das Eingehen einer Art Scheinehe, die in Ägypten recht schnell und unbürokratisch geschlossen werden kann. Jeder Ägypter wisse, daß dies keine richtige Heirat ist und nur dem Zweck dient, sich auf legalem Wege ein Zimmer mit einer europäischen Frau teilen zu können.

Unterdessen ist Muhammad ständig mit seinem Telefon beschäftigt. Mal tippt er Nachrichten in sein Gerät, mal spricht er. Es sind nur Wortfetzen zu verstehen. Aber es sind eindeutig deutsche Wortfetzen, die er mit sanfter und weicher Stimme in das Handy haucht. Ein weiteres Opfer?

Wir beginnen ein unverfängliches Gespräch mit Muhammad. Inkognito. Zeigen uns ihm gegenüber erstaunt, daß so viele Frauen aus Europa hier ihren Urlaub verbringen, wo doch die Terrorgefahr so stark gestiegen ist. Ein leichtes Grinsen huscht über das Gesicht des Mannes. „Hübsche Frauen hier?“ fragen wir. Muhammad verzieht das Gesicht. „Na ja“, läßt er sich entlocken. Ansonsten bleibt er zugeknöpft.

„Wie kommt es, daß so viele ältere europäische Frauen Beziehungen zu jungen ägyptischen Männern haben?“ Wieder kommt ein Grinsen. „Das liegt an den Frauen. Manche von ihnen sind sehr aufdringlich“, versichert Muhammad mit einem derart überzeugten Gesichtsausdruck, daß sich schon der Gedanke an die Möglichkeit einer Lüge verbieten könnte. Einige hätten ihm Geld geboten. „Für Sex“, empört sich der Hotelangestellte. Er habe das unmoralische Angebot stets mit dem Hinweis zurückgewiesen, er habe Frau und Familie.

„Frau und Familie? Das klang aber vorhin ganz anders“, sagen die beiden Münsteranerinnen sichtlich überrascht, als wir sie mit der Aussage von Muhammad konfrontieren. Und dann ist da noch Sharif, ein Tauchlehrer. Ein schon älterer Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt. „Solche Frauen sind bei uns eigentlich schlecht angesehen. Eine ägyptische Frau würde niemals halbnackt über den Strand laufen.“ Nur des Geldes wegen, das die Urlauberinnen ins Land bringen, würde man ihr Verhalten dulden. „Ich weiß doch, wie die Jungs reden, wenn sie unter sich sind. Fette, alte, häßliche Hühner nennen sie die Frauen. Das Geld ist das einzige, was sie interessant macht.“

Doch nach dem arabischen Frühling und der zunehmenden Terrorgefahr leide auch in Ägypten das Tourismusgeschäft. Die Hotelresorts sind von einer kilometerlangen Mauer umschlossen. Am Flughafen wurden nach den jüngsten Anschlägen noch einmal die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Soldaten stehen vor den Hoteleingängen, Fahrzeuge werden vor der Einfahrt ins Resort auf Waffen durchsucht, der Unterboden der Busse und Pkw mit Spiegeln überprüft. Urlaubern wird empfohlen, Ausflüge in die Wüste nur in einer Reisegruppe und mit Reiseführer zu unternehmen.

„Bleiben die Urlauber weg, gehen Existenzen zugrunde“

„Bleiben die Urlauber weg, gehen hier ganze Existenzen zugrunde“, befürchtet Sharif. Schon jetzt ist die Romeo-Masche in Deutschland angekommen. In den Zügen von Italien Richtung Deutschland versuchen Immigranten bereits, Kontakt zu deutschen Frauen aufzubauen.

Anwohnerinnen in der Nähe der Münchner Bayernkaserne sprechen davon, daß sie verstärkt von Bewohnern der dortigen Asylunterkunft „angeflirtet“ werden. Auch auf sogenannten Refugee-Partys wird die Gelegenheit genutzt, eine Beziehung zu einer Deutschen aufzubauen. Ein einfaches Unterfangen, da die Initiative auf solchen Festen nicht selten von den Frauen selbst ausgeht.

Und in Würzburg dienen etwa der Bahnhof und am Wochenende zwei Discos in der Nähe einer Asylunterkunft als Treffpunkte, an denen junge arabische Männer laut Aussage einer freiwilligen Helferin „teilweise sehr plump reihenweise Frauen angraben“ und kein Nein akzeptieren würden. Auch McDonalds-Filialen seien immer wieder Anlaufpunkte.

In Hurghada ist sich Sharif unterdessen sicher: „Kommen die Touristinnen nicht mehr zu den Habibis, dann werden die Habibis nach Deutschland kommen.“