© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Der britische Investmentfonds TCI ist bei VW eingestiegen
Heuschrecken in Wolfsburg
Thomas Kirchner

Heuschrecken kreisen über VW. Der britische Fonds TCI von Christopher Hohn ist mit einem nur zweiprozentigen Anteil im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro eingestiegen und hat prompt einen Brandbrief gegen das Management geschickt und beklagt insbesondere die großzügige Entlohnung des Vorstands – trotz Dieselgate und obwohl Umsatz und Gewinn 2015 kaum stiegen.

TCI ist „aktiv“, also bekannt für Attacken gegen verschlafene Unternehmen, die in Schwierigkeiten und deren Management falschliegt. 2005 schickte TCI den damaligen Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, in die Wüste, um die Übernahme der Londoner Börse LSE zu verhindern. Voriges Jahr war TCI einer der erfolgreichsten Aktivistenfonds. Während andere teils zweistellige Verluste erlitten, konnte TCI um 14 Prozent zulegen. Das Fondsvolumen beläuft sich auf rund zehn Milliarden Dollar, so daß der VW-Anteil etwa 15 Prozent des Fonds ausmacht. Derart relativ hohe Gewichtungen von Einzeltiteln sind bei Aktivisten keine Seltenheit.

Skeptiker meldeten sich prompt zu Wort und wiesen darauf hin, daß TCI lediglich die stimmrechtslosen Vorzugsaktien besitzt und bei der im Juni anstehenden Hauptversammlung nichts zu sagen hat. Noch dazu verhindert die Aktionärsstruktur von VW mit dem „Ankeraktionär“ Niedersachsen, den Familien Porsche und Piëch sowie Katar Kämpfe um Kontrolle über den Aufsichtsrat.

Doch diese Kritik ignoriert den fundamentalen Wandel, der sich in den letzten Jahren unter Aktivisten vollzogen hat. Heute sind „Aktivisten“ nicht mehr aggressive Unternehmensfiletierer, sondern aktive Partner, die langfristige Werte schaffen. Ein gutes Beispiel ist der Hedgefonds-Manager Nelson Peltz, der heute nicht mehr kurzfristig Unternehmen zerschlägt, sondern langfristige Anteile hält. Bei Mondelez (bis 2012 Kraft) hält der New Yorker seine Anteile seit mehr als drei Jahren. Insgesamt haben amerikanische Aktivistenfonds viel zur Steigerung der Effizienz von großen Unternehmen beigetragen, so daß trotz der unter Obama nur langsam wachsenden Wirtschaft die Profitabilität gestiegen ist.

So wird auch seit ein paar Jahren über eine Expansion von US-Aktivisten nach Europa spekuliert. Nur wenige haben den Schritt gewagt, wie etwa ValueAct bei Rolls Royce. Elliott Associates unterhält eine Dependance in London, von der aus Paul Singers Sohn Gordon die europäischen und asiatischen Investitionen verwaltet. Darüber hinaus gibt es in Europa schon längst eigene Aktivisten wie Knight Vinke (Monaco/Zürich/London) oder Cevian (Stockholm).

Institutionelle Anleger sind auch eher zu Auseinandersetzungen mit Vorständen bereit, als dies in den USA der Fall ist. TCI wird versuchen, mit guten Argumenten andere Anteilseigner zu überzeugen. Glaubwürdigkeit besitzt TCI jedenfalls derzeit mehr als das Management des Krisenkonzerns.