© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Hang zum Größenwahn
Kunstmarkt: Die gigantische Nachfrage bewirkt eine steigende Zahl von Fälschungen
Wolfgang Kaufmann

Seitdem mit Kunst gehandelt wird, kommen auch Fälschungen auf den Markt – das war nachweislich schon im Reich der Pharaonen so. Selbst Genies wie Michel-angelo kannten da keine Skrupel: Der Italiener meißelte die antike Figur eines schlafenden Cupido nach und verkaufte diese als echte Antiquität, was 1496 in skandalträchtiger Weise aufflog.

Späterhin wurden dann vor allem Gemälde und Grafiken gefälscht. So beschlagnahmte der US-Zoll in den 1960er Jahren allein 9.428 „Rembrandts“ und 113.254 „Watteaus“. Das heißt, die Fälscher zeigten oft eine bemerkenswerte Produktivität. Beispielsweise brachte es der Ostpreuße Lothar Malskat auf 600 „nachempfundene“ Bilder, während sein englischer „Kollege“ Tom Keating sogar 2.000 schaffte. Und dem aus Ungarn stammenden Elmer Hoffmann gelang es, einem einzigen texanischen Ölmillionär 44 Fälschungen von Bildern Cézannes, Gauguins und Picassos unterzuschieben.

Noch toller trieb es freilich der selbsternannte „König der Fälscher“ Edgar Mrugalla mit 3.000 in Umlauf gebrachten „Feiningers“, „Renoirs“, „Liebermanns“ und „Kokoschkas“. Doch war auch das noch nicht der absolute Rekord. Den hält die New Yorker Bande, bei der die Polizei 1992 sagenhafte 83.000 gefälschte Drucke mit dem theoretischen Verkaufswert von einer Milliarde Dollar fand.

Angesichts derart intensiver Aktivitäten vermuten Experten des Bundes-kriminalamtes, daß mittlerweile 30 Prozent der Gemälde und 50 Prozent der Grafiken, die in den Handel gelangen, Fälschungen sind, wobei die Quote bei einzelnen Künstlern wie Dalí wohl noch deutlich höher liegt: Hier sollen auf ein echtes Werk neun unechte kommen. Damit würde die Fälscher-Branche Gewinne von zwei Milliarden Euro pro Jahr erzielen. Hauptgrund für die hohe und offenbar kontinuierlich steigende Zahl von Falsifikaten ist die gigantische Nachfrage nach Kunstwerken, welche den Markt weitgehend leergefegt hat. Diese wiederum resultiert aus der Flucht der Anleger in Sachwerte; hinzu kommt die Absicht, satte Spekulationsgewinne zu erzielen.

Häufig wird vermutet, daß die Täter vorrangig aus Geldgier handeln, doch ist deren Motivation zumeist deutlich komplexer. Zwar kann man mit dem Fälschen von Bildern schon sehr vermögend werden, wie unter anderem der deutsche Maler Wolfgang Beltracchi demonstrierte. Er verdiente mehrere Millionen Euro durch die Herstellung „bislang unbekannter“ Expressionisten und bekam dafür im Oktober 2011 vom Landgericht Köln eine sechsjährige Haftstrafe aufgebrummt. Aber auch Beltracchi hatte letztendlich nicht nur des schnöden Mammons wegen gefälscht, wozu ja die Anfertigung gut gemachter Kopien genügt, sondern ebenso aus dem Wunsch heraus, Bilder zu schaffen, die seiner Ansicht nach in das Œuvre des jeweiligen Künstlers gehörten, aber von diesen nie gemalt wurden. Das heißt, man kann im Falle der sogenannten Stilfälschungen durchaus von Experimentierlust ausgehen.

Ein weiteres Motiv, Kunstwerke nachzuahmen und als echt auszugeben, fand der US-Autor Noah Charney, als er die Biographien von 120 einschlägig in Erscheinung getretenen und übrigens ausnahmslos männlichen Fälschern analysierte. Offensichtlich ging es denen vielfach auch darum, die eigene Genialität unter Beweis zu stellen, indem sie sich in die Künstler und ihre Zeit hineinversetzten, um es dann am Ende noch ein wenig besser zu machen als der hochgelobte Meister selbst. Besonders anfällig für derlei Tun sind perfektionistische Menschen mit einem Hang zum Größenwahn, denen aber gleichzeitig das wirkliche Talent fehlt.

Ein Musterbeispiel hierfür ist der Holländer Henricus Antonius „Han“ van Meegeren, der noch einen Schritt weiter als andere Stilfälscher ging. Weil die Kritiker seine Werke, die zunächst verhaltenen Anklang gefunden hatten, ab 1922 als „abgeschmackt und süßlich“ sowie „kläglich öde“ und „immer saft- und kraftlos“ bezeichneten, beschloß er, Gemälde nach Art des seinerzeit besonders beliebten Jan Vermeer van Delft zu produzieren. Dabei besaß er die Stirn, sein eigenes durchgefallenes Bild „Christus und die Jünger in Emmaus“ nochmals im Stile Vermeers zu malen und auf den Markt zu bringen. Und plötzlich erschien das Motiv den Experten gar nicht mehr sentimental und langweilig, sondern höchst erhaben. Van Meegerens „Christus“ wurde 1938 sogar zum größten Meisterwerk Vermeers erklärt und für 550.000 Gulden angekauft, obwohl die Fälschung vergleichsweise plump ausfiel.

Van Meegeren rächte sich also sowohl an den Kritikern als auch am Kunsthandel und dessen Kundenklientel.

Von ganz ähnlichen Motiven getrieben wurde der gelernte Restaurator Keating. Er düpierte die Fachwelt jedoch noch zusätzlich, indem er seine Fälschungen so präparierte, daß sie sich bei der Reinigung oder materialtechnischen Untersuchungen von selbst zerstörten. Außerdem plazierte Keating in wohlkalkuliertem Übermut versteckte Anachronismen in den Bildern, wie das Glas mit dem Schriftzug „Guiness“ in der Hand des Zechers auf einem Gemälde von „Rembrandt“. 

Durch solche Aktionen, also die gelungene Täuschung der elitären Riege der Kunsthistoriker und reichen Sammler, konnten viele Fälscher regelrechte Fangemeinden von zumeist nichtbegüterten schadenfrohen Normalverdienern um sich scharen, welche in Männern wie Beltracchi und Keating keine Kriminellen, sondern moderne Robin Hoods sehen, denen im Grunde eher Anerkennung statt gesellschaftlicher Verachtung gebühre.

Dabei führte diese Popularität bisweilen sogar dazu, daß die legal hergestellten Werke entlarvter und geläuterter Fälscher nun ihrerseits gefälscht wurden. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Bilder des Malers und Kunstfälschers Konrad Kujau, der 1983 dem Stern zunächst 62 selbstgeschriebene Hitler-Tagebücher unterjubelte und sich nach seiner Haftentlassung aufs „legale Kopieren“ verlegte. Nach dessen Tod verkaufte eine Dresdnerin zahlreiche Kopien von „Original Kujau-Fälschungen“, die sowohl den Schriftzug „Kujau“ als auch die Signatur des jeweils nachgeahmten Künstlers trugen, über Ebay und kassierte dafür 550.000 Euro.





Kunstfälschermuseum

Das private Fälschermuseum in Wien gegenüber vom Hundertwasserhaus ist nach eigenen Angaben „in seiner Art ein Unikat in Europa“. Erzählt werden dort die Kriminalgeschichten berühmt-berüchtigter Kunstfälscher. Ausgestellt sind unter anderem Werke des Vermeer-Fälschers Han van Meegeren und  des Londoner Restaurators Tom Keating sowie Arbeiten von Konrad Kujau. Das Museum klärt über die Unterschiede zwischen Original, Kopie und Fälschung auf.

Kontakt: Fälschermuseum, Löwengasse 28, A-1030 Wien, Telefon: 00 43 / 1 / 715 22 96. Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr. Eintritt: 5,50 Euro

 www.faelschermuseum.com