© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Unappetitliches Thema
Bildungspolitik: In Köln stoppt die Leitung der Universität ein Seminar zum Analverkehr
Martin Voigt

Wenn Studenten der sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächer zuviel freie Zeit haben, planen sie was? – Eine Party? Eine Demo gegen Rechts? Vielleicht. Aber nicht in Köln. Dort machten sich einige wißbegierige Studenten auf die Suche nach etwas, das laut Johann Wolfgang von Goethe in der Natur liege, obgleich es gegen die Natur sei.

 Die Knabenliebe sei so alt wie die Menschheit, soll Goethe 1831 gesagt haben. Doch manch einem unbeholfenen Zeitgenossen aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert mangele es trotz entsprechender Neigung womöglich an professioneller Anleitung. Aus diesem Grund wollten Studenten der Kölner Universität Mitte Mai ein Seminar zum Analverkehr anbieten. Dazu eingeladen hatte die Studentenvertretung der Humanwissenschaftlichen Fakultät. Der Titel der auf Facebook für den 3. Juni angekündigten Veranstaltung lautete: „Anal verkehren – ein Workshop für Arschficker_Innen und die, die es vielleicht werden wollen“.

Der Leiter des Seminars, Marco Kammholz, befindet sich nach Angaben auf der Facebook-Veranstaltungsseite in der Weiterbildung zum Sexualpädagogen am Institut für Sexualpädagogik (ISP). Von sexualpädagogischem Interesse waren folgende drastisch formulierten Fragen: „Wie soll denn da was reinpassen? Welche Hilfsmittel gibt es? Was gilt es anatomisch zu beachten? Wie sprechen wir über Analverkehr? Und wer fickt hier eigentlich wen?“

 Die JUNGE FREIHEIT bat daraufhin die Universität Köln um eine Stellungnahme. Doch diese war über die geplante Veranstaltung überhaupt nicht informiert. „Was Studierende auf ihren privaten Facebook-Seiten posten, kommentieren wir nicht. Von der betreffenden Veranstaltung ist uns nichts bekannt“, teilte ein Sprecher der Hochschule mit. Hinter den Kulissen sorgte der Fall allerdings für Wirbel. Schließlich wurde das Seminar Anfang vergangener Woche abgesagt. Sowohl Initiator Kammholz als auch die Studentenvertretung gaben daraufhin Stellungnahmen ab. Unter dem Titel „Arschficken gegen Rechts“ veröffentlichte die in der homosexuellen Szene bekannte Online-Plattform queer.de die Erklärung von Kammholz. Die Seite hatte zuvor ausführlich über das Seminar berichtet. Wenige Tage später berichtete die Seite, das Dekanat der Universität habe nach „einem kleinen Medienwirbel eine Stellungnahme zur Veranstaltung angefordert“.

Hochschulleitung forderte Stellungnahme  

 Die Studentenvertretung, die sich nach eigenen Angaben mit Themen wie „Feminismus, Sexualpädagogik und kritischer politischer Bildung“ befaßt, wollte mit dem Seminar „diese spezielle Sexualpraktik“ enttabuisieren und „die Auseinandersetzung mit analer Berührung für Interessierte“ ermöglichen. In ihrer Erklärung räumte sie allerdings ein, ihr sei „die gewaltvolle und pornographische Sprache in der Ankündigung des Workshops“ mehrfach als verletzend und übergriffig gemeldet worden. „Wir möchten uns bei all jenen entschuldigen, die die Ankündigung mit diesem Inhalt und dieser Sprache verletzt hat“, schreiben die Studenten. Sie pflegten „eigentlich einen rücksichtsvolleren Umgang miteinander“ und hätten nun festgestellt, daß sie „eine breitere Diskussion sexualpädagogischer Konzepte und Angebote in der pädagogischen Ausbildung benötigen“.

Marco Kammholz warf der Studentenvertretung vor, mit der Absage des Seminars der „rechtspopulistischen und explizit schwulenfeindlichen Skandalisierung“ seines Angebots nachgegeben zu haben. Ein „grober politischer Fehler“ sei es, den „rechts-konservativen Kampagnen und Verleumdungen“ gegen die emanzipatorische Sexualpädagogik zu entsprechen. Zur emanzipatorischen Praxis gehöre es, die „herrschende Sexualmoral“ als moralisierend und repressiv zu entlarven, schrieb Kammholz in seiner Stellungnahme. Die Wiederaneignung pejorativer Begriffe wie etwa „Arschficker_In“ stünde in der Tradition der Schwulenbewegung. Daher sei das selbstbewußte Benennen analer Lust und die schamlose Selbstbezeichnung sexual- und schwulenfeindlich verwendeter Begriffe durchaus als „gewollte ‘Belästigung’ heterosexueller und sexualfeindlicher Normalität“ aufzufassen, unterstrich Kammholz seine politische Absicht.

 Die Hochschule werde keine weiteren Konsequenzen ziehen, sagte ein Sprecher auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT. Man werde jedoch mit den Studenten sprechen, um sie zu sensibilisieren. „Wir haben nichts gegen das Thema, fanden nur die Sprache der Ankündigung nicht angemessen“, hieß es von seiten der Universität Köln.