© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Islamischer Staat: Auf allen Ebenen Legitimationspotentiale ausschöpfend
Unterschätztes Terrorregime
(wm)

Abstoßende Bilder von öffentlichen Hinrichtungen, Broschüren mit Regeln zur Haltung weiblicher Sklaven oder Berichte über das Treiben einer Moralpolizei, die nicht nur überwacht, ob alle Männer Bärte tragen, sondern auch Razzien durchführt, um mutmaßlicher „Magier“ und „verhexende“ Gegenstände aufzuspüren – in der Summe könnten solche Impressionen aus dem pandämonischen Alltag des „Islamischen Staates“ (IS) zur Unterschätzung dieses steinzeitlich wirkenden Terrorregimes beitragen. Davor warnen die Politologen Christopher Günther (Uni Jena) und Tom Kaden (Toronto), die meinen, der IS habe mehr zu bieten „als bloß Terrorismus“ (Zeitschrift für Politik, 1/2016). Orientiert an Max Webers Herrschaftssoziologie, fällt es ihnen darum nicht schwer nachzuweisen, daß dieses aus westlicher Sicht aberwitzige Kalifat als rationale, traditionale und charismatische Herrschaft auf allen Ebenen die von Weber genannten Legitimationspotentiale ausschöpft. Rationale Motive führen zu Allianzen mit sunnitischen Stammesverbänden in Irak und Syrien, das früh-islamische „Rollenmodell“ generiere traditionale Autorität und das vom Propheten ererbte Charisma des Kalifen Abu Bakr zementiere eine Herrschaft, die mit jedem Monat, in der sie unbehelligt bleibe, das Odium eines bloßen Terrorregimes verliere. 


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