© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Die im Dunkeln sieht man nicht
Indymedia: Die Macher der linksextremen Internetseite zu belangen ist schwierig
Robert Freitag

Auf der linksextremen Internetplattform linksunten.indymedia.org werden immer wieder personenbezogene Daten veröffentlicht, um auf diese Weise die Betroffenen anzuprangern. So wurden am 1. Mai 2016 Daten der Teilnehmer des vergangenen Bundesparteitages der Alternative für Deutschland (AfD) veröffentlicht (JF 20/16). 

Die Rechtslage ist an und für sich klar. Im Fall der AfD sind die Daten entweder ausgespäht oder aus einer Übertragung abgefangen worden. Beides ist nach Paragraph 202a oder Paragraph 202b Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Zudem besteht der Verdacht einer Strafbarkeit nach den Paragraphen 44, 43 des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die Veröffentlichung dieser Daten ist illegal. Die betroffenen Menschen haben das Recht auf ihrer Seite, und sie können sich an die zuständige Datenschutzbehörde wenden oder Strafanzeige erstatten. 

Beides wird ihnen gegenüber Indymedia allerdings nicht viel nützen. Die Server dieses Netzwerks stehen in Brasilien, die Domain ist nicht in Deutschland registriert. Ein Impressum gibt es nicht, aus dem die verantwortlichen Personen hervorgehen. In Deutschland ist für Indymedia ein im Untergrund tätiger, nicht weiter bekannter Personenkreis aktiv. Niemand ist greifbar, der belangt werden könnte. Datenschutzbehörden oder Staatsanwaltschaften sind die Hände gebunden, solange sie nicht feststellen können, gegen wen sie vorzugehen haben.

Anders sieht es aus, wenn jemand in Deutschland die bei Indymedia befindlichen Daten weiterverarbeitet und sie erneut im Internet veröffentlicht (siehe Infokasten). Dies ist eine eigenständige, neue Datenschutzverletzung, möglicherweise auch eine eigenständige Straftat. Ist die dafür verantwortliche Person bekannt, kann sie vom Betroffenen gegenüber einer Datenschutzbehörde oder Staatsanwaltschaft benannt werden. Paragraph 34 BDSG gibt dem Betroffenen zudem ein umfangreiches Auskunftsrecht, das in Deutschland auch durchgesetzt werden kann.

Betroffene sollten trotz der genannten Hindernisse auf der Seite von Indymedia begangene Straftaten bei der örtlichen Staatsanwaltschaft anzeigen. Diese wird den Täter zwar erst einmal nicht ermitteln können und das Verfahren deshalb einstellen. Sollten die verantwortlichen Personen aber doch einmal bekannt werden, kann das Verfahren später wieder aufgenommen werden. 

Und noch eine weitere rechtliche Handhabe gibt es: Über Suchmaschinen werden illegal veröffentlichte Daten gefunden, wenn gezielt zu einer Person recherchiert wird. Google, Bing und Yahoo haben bei uns den größten Marktanteil. Dank einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 (C-131/12) wird das „Recht auf Vergessen“ mittlerweile von den Suchmaschinen akzeptiert. Man kann dort beantragen, bestimmte Links nicht mehr bei den Suchergebnissen anzuzeigen, wenn darin unzulässige Inhalte zu sehen sind. Allerdings löscht Google die Ergebnisse nur aus Google.de, nicht auch Google-Datenbanken anderer Länder wie Google.com. Durch die Löschung aus den Suchmaschinen gibt es einen gewissen, aber keinen absoluten Schutz.

Kann der Staat etwas unternehmen, um die Verbreitung illegal veröffentlichter Daten im Internet zu unterbinden? Die Politik erweckt gerne einen solchen Eindruck, insbesondere wenn es um Kinderpornographie oder rechtsextreme Seiten wie Altermedia geht. Im letzteren Fall sind den Behörden verantwortliche Personen bekannt geworden, auf die dann zugegriffen werden konnte. Daran fehlt es bei Indymedia. Bei Kinderpornographie gibt es einen Vertrag des Staates mit fünf großen Internetprovidern. Danach werden Seiten, die auf einer täglich aktualisierten Liste des BKA genannt werden, gesperrt. 

Die technische Umsetzung von Sperren erfolgt durch einen Eingriff in die Funktion des Domain-Name-Systems (DNS), bei der absichtlich falsche Antworten gegeben werden. Solche Sperrungen durch „DNS-Hijacking“ lassen sich aber mit einfachen Mitteln umgehen. Die Inhalte können einfach auf anderen Servern gespiegelt und mit einer neuen Adresse ins Netz gestellt werden. Zur Wahrheit gehört, daß der Staat nichts gegen illegale Veröffentlichungen im Internet unternehmen kann. 

Auch aus anderen Gründen wären den Behörden bei Indymedia die Hände gebunden. Das Abschalten von Internetseiten stellt immer auch einen Eingriff in das Grundrecht der Bürger auf Meinungs- und Informationsfreiheit dar. Der Rechtsstaat muß dabei eine solide Güterabwägung prüfen, um einen solchen Eingriff vornehmen zu dürfen. Haben das Ausspähen und die Veröffentlichung von Daten eine Unrechtsintensität, wie man sie bei Kinderpornographie, Volksverhetzung oder Aufstacheln zu terroristischen Anschlägen annehmen darf? Das ist kaum anzunehmen, selbst wenn aus dem Nutzerkreis von Indymedia Straftaten gegen die Opfer der Ausspähung bzw. Veröffentlichung begangen werden. 

Solange die anonymen deutschen Hinterleute nicht namentlich identifiziert sind – etwa durch einen höheren Verfolgungsdruck der Ermittlungsbehörden (zum Beispiel mittels Hausdurchsuchungen bei Verdächtigen im linksextremen Milieu) –, können sie nicht zur Verantwortung gezogen werden. Was auf Indymedia verübte Straftaten betrifft, offenbart sich der Rechtsstaat derzeit als machtlos.





AfD-Mitglied siegt vor Gericht

Gegen die Verbreitung der illegal veröffentlichten Mitgliederdaten hat die AfD mittlerweile einen ersten juristischen Erfolg erzielt. So untersagte das Landgericht Köln in einer einstweiligen Verfügung dem Betreiber eines linken Internetblogs die Nennung von Name, Adresse und Parteizugehörigkeit eines AfD-Mitglieds sowie eine Verlinkung auf die entsprechende Indymedia-Seite. Nach und nach werde man gegen weitere Seiten vorgehen, die zu Indymedia verlinken, teilte die Partei mit. 

Ebenso strebe man eine Löschung der entsprechenden Suchergebnisse bei Google und Bing (für den deutschsprachigen Raum) an. Unterdessen hat das LKA Baden-Württemberg in Abstimmung mit der AfD unter anderem IT-forensische Untersuchungen vorgenommen und das beim Parteitag in Stuttgart verwendete Material untersucht. 

„Nach aktuellem Erkenntnisstand gehen wir explizit nicht von einem sogenannten ‘Maulwurf’ in unserer Geschäftsstelle aus, ebenso erscheint ein Abgreifen der Daten bei der Registrierung in Stuttgart sowie bei der Erfassung der Vorregistrierung als sehr unwahrscheinlich“, so Bundesvorstandsmitglied Julian Flak auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT.