© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

„Durch kein Zitat belegbar“
Angebliche Beleidigung: Alexander Gauland bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und prüft juristische Schritte gegen die FAZ
Christian Vollradt

Die Schlagzeile saß: „Gauland beleidigt Boateng“ titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) – und lieferte damit das Debattenthema zum Wochenbeginn. Der stellvertretende AfD-Vorsitzende, so verbreitete das Blatt, habe in einem Gespräch geäußert, Jérôme Boateng werde zwar als Spieler der Nationalmannschaft geschätzt, dies bedeute aber nicht, daß er nicht als fremd empfunden werde. „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“, soll Gauland laut FAS wörtlich gesagt haben.

Empörte Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Als „niveaulos und inakzeptabel“ bezeichnete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die angebliche Gauland-Aussage, und die Bundeskanzlerin ließ Regierungssprecher Steffen Seibert feststellen: „Der Satz, der da gefallen ist, ist ein niederträchtiger und ein trauriger Satz.“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) würdigte Boateng als eine Stütze der Nationalmannschaft, und auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) reagierte mit scharfer Kritik an Gauland. Es sei „einfach geschmacklos“, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft „für politische Parolen zu mißbrauchen“, meinte DFB-Präsident Reinhard Grindel. 

Innerparteiliches Geschmäckle der Affäre

Bereits am Sonntag abend hatte der Gescholtene die Rassismus-Vorwürfe dementiert: „Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten“, bekräftigte Gauland. Der Zeitung wirft er vor, die Vertraulichkeit eines als Hintergrundgespräch deklarierten Treffens verletzt zu haben. „Ich kann heute nicht mehr sagen, wer zuerst den Namen Boateng in den Mund genommen hat – ich bilde mir ein, es war einer der beiden FAZ-Redakteure, da mir der Name wie auch der Fußballsport weitgehend fremd sind. Dabei mag das Zitat von der Nachbarschaft gefallen sein. Ich habe dem keine Bedeutung beigemessen, da das Gespräch nicht zur Veröffentlichung bestimmt war“, schrieb Gauland am Montag in einer Klarstellung.

FAZ-Redakteur Eckart Lohse wies im Deutschlandfunk die Darstellung des brandenburgischen AfD-Vorsitzenden zurück: „Nein, nein, als wir ihn nach Boateng fragten, war für uns erkennbar, er weiß, wer gemeint ist.“ Lohse räumte damit indirekt ein, die Journalisten hätten den Namen des Nationalspielers ins Gespräch gebracht – und nicht Gauland. 

Der AfD-Vize bestätigte am Dienstag auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT, daß er rechtliche Schritte gegen die FAS prüfen läßt. Denn die Überschrift unterstelle ihm eine Straftat und sei für den Dreh ins Fremdenfeindliche, Rassistische verantwortlich: „Diese Behauptung in der Überschrift ist durch kein einziges Zitat von mir im Text belegbar“, betonte der Politiker. Dennoch sei er sich der Tatsache bewußt, daß ein juristisches Vorgehen schwierig werde. 

Gauland empfindet das Vorgehen der FAS-Journalisten als eine bewußt gestellte Falle: „Die Frage ist doch, warum schieben sie in einem Gespräch über das Fremde, über den Islam auf einmal den Namen Boateng ein?“ Von dem Fußballer habe er zuvor nur vage gehört. „Ich wußte nicht, daß er ein Farbiger ist, daß er Deutscher ist, daß er Christ ist.“ Sich selbt wirft er in diesem Zusammenhang ein Versäumnis vor: „Ich hätte nachfragen müssen.“  

Daß mittlerweile auch verschiedene andere Medien Kritik am Vorgehen der FAS üben (siehe Seite 17), registrierte Gauland gegenüber der JF mit einer gewissen Genugtuung: „Ich bin dankbar, wenn sich diese Aufregung, die sich eben noch voll gegen mich richtete, langsam etwas legt.“ 

Allerdings hat die ganze Affäre auch noch ein innerparteiliches Geschmäckle. Denn unmittelbar nachdem die Wogen über die vermeintlich rassistische Entgleisung hochschlugen, war die AfD-Co-Vorsitzende Frauke Petry mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit gegangen, bei der ihr Vize Gauland nicht gerade günstig wegkam. Petry hatte der Bild-Zeitung gesagt: „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist.“ 

Im Verlauf der Affäre soll es zu lautstarken Wortwechseln zwischen den beiden Vorstandsmitglieder gekommen sein. Er habe Frauke Petry deutlich gesagt, daß er mit ihrer Darstellung nicht zufrieden war, so Gauland zur JF. Ihre Darstellung habe den Eindruck erweckt, „ich sei nicht mehr ganz zurechnungsfähig“. Doch, so betont Gauland, die Unstimmigkeiten seien bei einer Telefonkonferenz der Parteispitze ausgeräumt worden. „Wir werden uns da künftig besser absprechen.“

Petrys alleiniges Vorpreschen war auch vom Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen kritisiert worden. Beobachter mutmaßen, Hintergrund könne ein tiefergehender Konflikt zwischen der sächsischen Fraktionschefin und ihrem Brandenburger Gegenüber sein. So gilt Gauland als Gegner von Petrys Kurs einer strikten Abgrenzung zu Pegida; außerdem verüble sie Gauland die harsche Kritik am Abbruch des Gesprächs der AfD-Führung mit dem Zentralrat der Muslime. Jeder gute Verhandlungsführer wisse, daß man in ein Gespräch nicht mit unerfüllbaren Bedingungen hineingehen könne. Das lasse nur den Schluß zu, daß es Petry „in erster Linie um etwas anderes als einen echten Dialog gegangen sein muß“, hatte der stellvertretende Bundesvorsitzende damals gemutmaßt. 

Petrys Hinweis auf Gaulands eingeschränktes Erinnerungsvermögen könnte also eine kleine Retourkutsche unter Parteifreunden gewesen sein.