© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

CD-Kritik: Herbst in Peking
Träume der Welt
Andreas Zöllner

Peter Hacks hat es gut getroffen mit seiner Feststellung: „Ein von der Romantik befallenes Land sollte die Möglichkeit seines Untergangs in Betracht ziehen.“ Das Ende der DDR wurde romantisch eingeläutet. Ein poetisch aufgewertetes Leben bezauberte die unbändige Jugend ebenso, wie es das ein halbes Jahrhundert zuvor mit der bündischen Jugendbewegung getan hatte. Die zu ihren Kapellen in die Landgasthöfe strömten, fühlten sich wie Eichendorffs Taugenichts.

Die Gruppe Herbst in Peking gehörte damals zu den Magneten der Bewegung. Auf ihrer neuen Platte „Splitter der Schöpfung“ changieren sie immer noch zwischen genialen Dilettanten und musikalischen Vollprofis. Eigene Verse reimen sich auf jene von Wilhelm Busch, „die Hand am Weltempfänger ... und der Hals wird lang und länger.“ In „Sehn-Sucht“ wird zu einem stampfenden Rhythmus der Mond angesungen. Dieser Titel hat das geheimnisvoll fruchtbare Schwirren warmer Juni-Nächte. Ein grummelnder Sprechgesang von Rex Joswig teilt mit: „Immer wenn es regnet vergesse ich den Schirm“. Von Alvaro de Campos alias Fernando Pessoa stammt die Feststellung: „Ich bin nichts. Ich werde nie etwas sein. Ich kann nicht einmal etwas sein wollen. Abgesehen davon trage ich in mir alle Träume der Welt.“ Das gilt auch für die Klangwelt von Herbst in Peking.

Herbst in Peking Splitter der Schöpfung Peking Records, 2016 www.pekingrecords.de