© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Blick in die Medien
Hier gibt’s Prozente
Tobias Dahlbrügge

Ist es Ihnen auch schon mal aufgefallen? Die gloriosen Wahlergebnisse der CDU-Vorsitzenden erinnern ein wenig an die Wahlsimulationen der DDR: vom Bremer Landesvorsitzenden (92 Prozent)über die Parteivorsitzende (96,7 Prozent) bis zum Berliner Spitzenkandidaten (100 Prozent!).

Das liegt am CDU-Statut. Dort steht: „Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen nicht für die Ermittlung der Mehrheit“, werden also nicht mitgezählt. Bei der Schwester CSU gelten Enthaltungen gleich als ungültige Stimmen.

Das ist praktisch. Beispiel: Es treten zwei Bewerber an, und bei der Abstimmung enthalten sich zahlreiche Mitglieder. Werden die Enthaltungen nicht mitgezählt, erhält der Gewinner garantiert über 50 Prozent. Bei 70 Ja-Stimmen und 30 Enthaltungen wären es 100 Prozent.

Zur Blamage für große Medien wie „Bild“ und „Tagesspiegel“ wurde der Berliner CDU-Parteitag. 

Wenn die CDU nun einer Presseagentur mitteilt – wie im Fall des Bremer Landesvorsitzenden Jörg Kastendiek –, dieser sei bei 147 Ja- gegen 32 Nein-Stimmen und bei acht Enthaltungen mit „deutlichen 82,1 Prozent“ bestätigt worden, rechnet das kein Journalist nach. Dabei würde es sich lohnen: Inklusive der Enthaltungen sind es nämlich nur noch 78,6 Prozent.

Zur Blamage für große Medien wie Bild und Tagesspiegel wurde der Berliner CDU-Parteitag, der im April Frank Henkel angeblich einstimmig zum Spitzenkandidaten kürte. Erst als sich ein Teilnehmer meldete, der aus Protest gegen Henkel gestimmt hatte, wurde klar, daß die anwesenden Politikredakteure nicht aufgepaßt hatten. Sie alle meldeten, Henkel sei einstimmig nominiert worden. 

Die spezielle Rechenmethode wird übrigens nur von der Union praktiziert; die übrigen Parteien zählen Enthaltungen mit, kommen aber deshalb auch nicht zu solchen Traumwerten. Das Unter-den-Tisch-Fallenlassen von Enthaltungen hat die CDU aus dem deutschen Vereinsrecht entlehnt. Das paßt irgendwie: In dem Merkel-Verein geht’s zu wie bei den Kaninchenzüchtern.