© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Der Sozialreformer Rodbertus als Gutsherr: Wasser predigen und Wein trinken
Eigentum in Theorie und Praxis
(wm)

Die Amtszeit des von der Märzrevolution an die Spitze des preußischen Kultusministeriums getragenen vorpommerschen Gutsherrn Johann Carl Rodbertus (1805–1875) erstreckte sich vom 26. Juni bis zum 3. Juli 1848. Wesentlich erfolgreicher als in der politischen Praxis war Rodbertus hingegen als Gesellschaftstheoretiker. Was ihm kein Geringerer als Karl Marx bescheinigte, der den Sozialreformer dafür lobte, „das Wesen der kapitalistischen Produktion durchschaut“ zu haben. Nicht zuletzt, weil dessen Analysen Grund- und Kapitaleigentum ähnlich beurteilten wie Marx. Eigentum sei „Diebstahl“ und sogar „Sklaverei und Mord“, weil es Arbeiter um ihre „freie Entwicklungsfähigkeit“ bringe. Daß der Jagetzower Gutsherr jedoch nicht immer seinen radikalen Theorien gemäß handelte, kann Reinhard Kuhl dank eines glücklichen Aktenfunds im Pfarrarchiv nachweisen (Pommern, 1/2016). Bis zum Kreisgericht Demmin, wo der gelernte Jurist obsiegte, habe der „soziale Seher“ den gegen den örtlichen Pastor und die Stettiner Regierung erbittert geführten Streit um das Eigentumsrecht an seiner Gutskapelle vorangetrieben. Selbst das seelsorgerische Argument, mit der Öffnung der Kapelle für Gutsuntertanen nicht nur religiösen, sondern auch sozialen Bedürfnissen zu genügen, beeindruckte Rodbertus nur kurz. 


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