© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Alpenluft am Machu Picchu
Peru: Am Ende wogen Papas Vergehen zu schwer – knapp verfehlte Keiko Fujimori das Präsidentenamt / Neu-Präsident Pedro P. Kuczynski will nun das Land einen
Lukas Noll

Österreichische Verhältnisse am Machu Picchu: Mit 50,12 zu 49,88 Prozentpunkten setzte sich der Wirtschaftsliberale Pedro Pablo Kuczynski im Rennen um die peruanische Präsidentschaft denkbar knapp gegen die Rechte Keiko Fujimori durch. Am Ende gaben 42.597 Stimmen den Ausschlag. Das offizielle Endergebnis war im Zuge angefochtener Stimmzettel erst nach fünf Tagen bekanntgegeben worden. Das Präsidentenamt ist Kuczynski damit sicher, doch der Andenstaat, dem er ab dem 28. Juli vorsteht, wirkt noch gespaltener als sein Pendant in den Alpen. Vor allem politischer Sippenhaft hat PPK, wie die Peruaner ihren Wahlsieger dank unaussprechlichen Namens nennen, seinen Sieg zu verdanken: Noch im ersten Wahlgang hatte seine rechte Gegenkandidatin mit 40 Prozent fast doppelt so viele Wähler auf sich vereinigt wie der zweitplazierte Kuczynski. Doch das Erbe ihres Vaters, dem wegen Menschenrechtsverletzungen inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, lastete als schwere Hypothek auf der Kandidatur der 41jährigen Tochter – und machte die Stichwahl am 6. Juni letztlich zum Plebiszit über die Vergangenheit.

2012 noch hatte Keiko Fujimori die Begnadigung ihres Vaters zum Wahlkampfthema ausgerufen. Daß sie sich davon diesmal unter Eid lossagte,  nahmen ihr viele Peruaner nicht ab. Alberto Fujimori hatte Peru von 1990 bis 2000 regiert und Peru mit einer neoliberalen Reformpolitik zu wirtschaftlichem Aufschwung verholfen. Kritiker halten dem Ex-Präsidenten eine autokratische Politik samt Parlamentsauflösung sowie die Zwangssterilisierung Tausender Indigener vor. Wegen des Einsatzes von Todesschwadronen wurde Fujimori 2009 zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Urteil, das Peru noch immer spaltet. Gerade den Sieg über den Leuchtenden Pfad, Lateinamerikas grausamste Guerilla, rechnen seine Anhänger dem Fujimorismo hoch an.

Auf PPK kommt nun die Aufgabe zu, das Land nach einer polarisierenden Kampagne neu zu einen. „Es ist eine gute Idee, mit Keiko Fujimori ins Gespräch zu kommen“, verkündete er nach der Wahl. Er habe diese bereits um Entschuldigung gebeten für „Sachen, die man nicht hätte sagen sollen“, so Kuczynski. 

Eine Einsicht, die nicht allein persönlicher Reue folgt: Die Parlamentswahlen hatte Fujimoris Fuerza Popular im April klar für sich entschieden. Die Rechte stellt 73 von 130 Parlamentariern. Daß der liberale Kuczynski für viele Peruaner vor allem Verhinderungskandidat war, zeigt sich auch hier – seine Partei, der ebenfalls PPK abgekürzte Partido por el Kambio, ist mit nur 18 Abgeordneten im peruanischen Kongreß vertreten.

Zumindest bei einem Thema dürften sich der Präsident und die Opposition jedoch schnell einig werden – der liberalen Wirtschaftspolitik. Für sie steht sowohl Fujimoris Fuerza Popular, die das wirtschaftliche Erbe hochhält, als auch der erfahrene Banker und Unternehmer Kuczynski. Als Sohn polnisch-jüdischer Flüchtlinge aus dem Dritten Reich ist Kuczynski zwar in Peru geboren, seine zahlreichen Auslandsverwendungen, von der Weltbank über Toyota bis zu ausländischen lateinamerikanischen Rohstoffunternehmen, haben ihm in Peru aber den Spitznamen Gringo eingebracht. Als Wirtschafts- und Premierminister stand Kuczynski für eine rigide Sparpolitik. 

Daß sich die Peruaner „nur noch“ zwischen dem rechtsliberalen Kuczynski und der rechtskonservativen Fujimori entscheiden wollten, ist somit auch im Lichte eines südamerikanischen Rechtsrucks zu sehen: Nach den Regierungswechseln in Argentinien und Brasilien, aber auch der Parlamentswahl in Venezuela ist Peru das vierte Land auf dem Subkontinent, das der internationalen Linken Beine macht. Die Sozialistin Verónika Mendoza ließen die Peruaner nicht einmal in die Stichwahl einziehen, nachdem der linke Amtsinhaber Ollanta Humala sich nach einer Legislaturperiode nicht mehr zur Wahl stellen durfte.