© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Lederhosen und der Laptop ohne schnelles Internet
Breitband-Internet: Bayern will mit weiteren Steuermilliarden den Ausbau voranbringen / Südkorea inzwischen „meilenweit entfernt“
Christian Schreiber

Er war kein CSUler, trotzdem stammt das geflügelte Wort von einem Niederbayern: Der damalige Bundespräsident Roman Herzog sprach 1998 von einer geglückten „Symbiose aus Laptop und Lederhose“, als er den Wandel des Freistaats vom Agrar- zum Hightech-Standort beschrieb. Seitdem kokettieren bayerische Politiker damit – doch außerhalb der Großstädte sind PCs und Telefone gähnend langsam mit dem Internet verbunden, denn für die Konzerne Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) bringt der Ausbau in der Fläche betriebswirtschaftlich eher Verluste.

Abstand zu den Städten und Metropolregionen wächst

Vor zwei Jahren beschloß daher die Staatsregierung, bis 2018 1,5 Milliarden Euro Steuergeld in den Breitbandausbau zu investieren. Es ist das Prestigeprojekt von Finanzminister Markus Söder, der nun die neuesten Zahlen präsentierte: 1.949 Gemeinden befänden sich im Förderverfahren, das entspricht einer Quote von 95 Prozent. 14.700 Kilometer Glasfaserkabel seien bereits verlegt oder stünden unmittelbar vor der Installation. 68,4 Prozent der Haushalte könnten mit bis zu 50 Megabit pro Sekunde im Internet surfen – 15 Prozent mehr als vor drei Jahren. 80,3 Prozent würden 30 Megabit geboten – 2013 waren es noch 61 Prozent. „Ich bin zuversichtlich, daß bereits 2017 jede Gemeinde einen Anschluß an die Datenautobahn hat“, sagte der CSU-Funktionär der Mittelbayerischen Zeitung.

„Kein anderes Bundesland nimmt so viel Geld für den Ausbau der digitalen Infrastruktur in die Hand“, sagte der promovierte Jurist und verwies dabei auch auf die zwei Milliarden Euro, die sein Parteifreund und Bundesminister Alexander Dobrindt in den kommenden zwei Jahren deutschlandweit investiert. Doch mit geschickter Datenauswahl läßt sich statistisch vieles zurechtrücken. Bis Bayern wirklich flächendeckend mit schnellem Internet versorgt ist, wird es noch lange dauern. Denn wenn eine Gemeinde einen schnellen Internetanschluß hat, heißt das nicht, daß das für alle Ortsteile oder Höfe gilt. Söder hat deswegen angekündigt, auch nach 2018 üppige Fördermittel bereitzustellen.

Die SPD-Breitbandexpertin Annette Karl kritisierte, die Staatsregierung sei zwar auf dem richtigen Weg, aber der ländliche Raum drohe weiter abgehängt zu werden, weil die Bitraten zu niedrig seien. „Der Abstand zu den Städten und Metropolregionen wird zementiert“, klagte sie in der Welt. Die Freien Wähler sind noch skeptischer: „Bayerische Unternehmen müssen beim schnellen Internet an die Weltspitze. Wir brauchen eine Gigabit-Offensive für den Mittelstand, das Rückgrat der bayerischen Wirtschaft. Das heißt: bis zu 1.000 Megabit pro Sekunde Datenübertragungsrate“, sagte Thorsten Glauber, derer wirtschaftspolitische Sprecher. In ihrer Kritik nahm die Opposition Bezug auf eine Studie, die die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) kürzlich präsentiert hatte. Der Aufholbedarf zu Ländern wie der Schweiz oder den Niederlanden sei immens, sagte VBW-Präsident Alfred Gaffal.

Der Verbandsfunktionär forderte von der Staatsregierung noch mehr Einsatz: „Von der flächendeckenden Verfügbarkeit einer hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur hängt die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ab“, erklärte er der Süddeutschen Zeitung.

Der zuständige CSU-Staatssekretär Albert Füracker verwies darauf, daß Brüssel schnelles Internet mit 30 Megabit pro Sekunde definiere. Wo derlei Bandbreiten verfügbar seien, sei eine weitere Förderung aufgrund von EU-Recht nicht möglich. „Dies wollen wir aber ändern. Wir versuchen, in Deutschland die Nummer eins zu werden, und wir wollen, daß Deutschland die Nummer eins in der EU wird“, versprach der gelernte Landbautechniker. Für ihn seien ohnehin „nicht irgendwelche Studien“, sondern die Bürgermeister der Maßstab. „Wenn die sagen, es paßt, dann ist mir das wichtiger als jede Studie, die mir auf den Tisch gelegt wird. Entscheidend ist in diesem Fall nicht der internationale, sondern der nationale Vergleich“, verteidigte sich Füracker.

Der VBW mahnt hingegen, den Blick über den Tellerrand zu wagen. Daß deutsche Internetanschlüsse langsam seien, war bekannt. Bedenklich sei aber, daß Deutschland im internationalen Wettbewerb immer weiter zurückfalle: „Die tatsächliche Geschwindigkeit der Festnetzverbindungen steigt hierzulande zwar um durchschnittlich 13,8 Prozent im Jahr, aber die meisten anderen Länder bauen ihr Internet deutlich schneller aus“, heißt es in der VBW-Studie. „Weltranglistenführer“ Südkorea sei inzwischen „meilenweit entfernt“, was natürlich Auswirkungen auf die Wirtschaft habe. Der Lederhosenträger mag zwar gerne mit dem Laptop hantieren, beim Netzanschluß oder der Nutzung von Videodiensten wie Amazon, Netflix oder Youtube bleibt er trotz CSU-Dementi weiter hinterwäldlerisch.

Studie über den „Versorgungsgrad der digitalen Infrastruktur in Bayern“: www.vbw-bayern.de