© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

„Wir müssen den Markt in Ordnung bringen“
Interview: Milchbauernverbandschef Schaber fordert eine EU-weite Vorgabe, um bei Krisen das Angebot befristet anzupassen / Höfe erlitten Milliardenverluste
Christian Dorn / Jörg Fischer

Herr Schaber, warum produzieren die Bauern so viel Milch, daß der Preis fällt?

Schaber: Weil sie dazu aufgefordert wurden, mit der Begründung, es gäbe eine absatzsichernde weltweite Nachfrage. Zudem wird in den Milchmarkt eingegriffen. Einmal mit Förderprogrammen, mit denen weitere Ställe gebaut werden, dann mit Liquiditätshilfen für einzelne Betriebe oder mit Absatzfördermaßnahmen. Zudem wird interveniert, es werden Produkte eingelagert.

Ist der freie Markt nur Illusion?

Schaber: Wir haben in den 28 EU-Ländern Hunderttausende Milchbauern, denen einige hundert Molkereien gegenüberstehen. Unter diesen sind acht richtig große Molkereien – ein gewaltiges Gefälle. Auf dem Weltmarkt haben wir Konkurrenten wie Neuseeland oder die USA, die unter völlig anderen Bedingungen produzieren. Zudem haben unsere Höfe auch kulturelle oder landschaftspflegerische Aufgaben.

Was stört Sie an den auf dem Milchgipfel (JF 23/16) beschlossenen Maßnahmen?

Schaber: Allein auf Deutschland bezogen reden wir von Verlusten von sieben Milliarden Euro innerhalb von zwei Jahren. Die hundert Millionen Euro sind eine reine Alibimaßnahme. Umgerechnet auf 70.000 Milchhöfe sind das pro Betrieb 1.300 Euro. Pro Kuh fehlen hingegen etwa 1.000 Euro im Jahr. In Deutschland haben wir im Schnitt 53 Kühe – das macht 53.000 Euro Verlust im Jahr. Zudem wird das Geld dafür verwendet, die Produktion auszuweiten. Der Landwirt handelt betriebswirtschaftlich richtig, aber nicht volkswirtschaftlich.

Seit Wegfall der Milchquote 2015 haben über 4.000 Milchbetriebe aufgegeben. Wie viele werden es in diesem Jahr sein?

Schaber: Deutlich mehr. Und man nimmt den Familien die Perspektive. Lernt die Jugend einen anderen Beruf, wird der Betrieb nach zehn, 15 Jahren endgültig aufgegeben. Dörfer werden ausbluten, die flächendeckende Bewirtschaftung ist gefährdet, Höfe in den schwierigen Gebieten verschwinden. Betriebe, die weitermachen, geraten in finanzielle Abhängigkeiten. Das kann so weit gehen, daß sie vertikal integriert werden in Molkereien und andere Kapitalgeber, so daß die unabhängige bäuerliche Landwirtschaft verlorengeht. Dies betrifft vor allem größere Betriebe mit einigen hundert Kühen.

Klaus Gehrig, Chef von Lidl und Kaufland will eine Sondersteuer für Milch, deren Ertrag kleineren Milchbauern helfen soll.

Schaber: Die Tesco-Gruppe in England hat das gemacht, es hat nicht geholfen. Wie soll das Geld verteilt werden? Das geht in Richtung Planwirtschaft. Wir müssen den Markt in Ordnung bringen. Wenn wir auf die Nachfrage kaum Einfluß haben, ist es sinnvoller, das Angebot anzupassen.

Soll die Politik eingreifen?

Schaber: Es bräuchte eine EU-weite Vorgabe, um bei Krisen das Angebot befristet anzupassen. Die Steuerung der Angebotsmenge muß greifen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Könnten der BDM, die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft und der Bauernbund ihre Forderungen nicht besser vertreten, wenn sie wieder in den Deutschen Bauernverband (DBV) eintreten?

Schaber: Diese drei Verbände wurden gegründet, weil sie sich nicht mehr vertreten fühlten. Wir haben gesehen, daß dort immer mehr industrielle und Exportinteressen vertreten werden. Dem DBV geht es nur um Hilfen, um billig zu produzieren. Es gibt in Thüringen große Höfe, die fordern seit langem vom DBV, daß er sich für eine Mengenreduktion einsetzt – die kriegen nicht mal eine Antwort.

Wäre der Umstieg auf Biomilch keine Alternative?

Schaber: Das kann schon an der zusätzlich benötigten Fläche scheitern. Zudem ist die Umstellung teuer. Wenn ich 50 Kühe habe, benötige ich 30 bis 40 Prozent mehr Fläche. Die Alternative hieße nur noch dreißig Kühe, doch habe ich dann noch den prognostizierten Mehrerlös? Wenn andere auch umsteigen, sinkt auch hier der Preis. In Deutschland wirtschaften 4,5 Prozent der Betriebe biologisch und produzieren 2,5 Prozent der Milch. Optimisten sehen hier maximal eine Verdopplung auf fünf Prozent.

Für den 15. Juli ist nun eine Agrarministersondersitzung in Brüssel angesetzt – mit EU-Agrarkommissar Phil Hogan. Wer bringt am ehesten politisches Verständnis für die Milchbauern auf?

Schaber: In Bayern unterstützen die Freien Wähler unsere Forderungen. Und CSU-Landwirtschaftsminister Helmut Brunner hat mit den grünen Landesministern den Beschluß auf der Agrarministerkonferenz in Göhren-Lebbin erst möglich gemacht hat.






Romuald Schaber bewirtschaftet einen Hof in Petersthal/Allgäu und ist Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 

 www.bdm-verband.org