© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Die Leuchtkraft des Südens
In der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München sind Gemälde des spanischen „Meisters des Lichts“ Joaquín Sorolla zu sehen
Felix Dirsch

Spaniens Künstlerikonen des 20. Jahrhunderts, allen voran Picasso, Dalí und Miro, sind allgegenwärtig. Ihnen gegenüber in den Hintergrund zu rücken, ist keine Schande. Dieses Schicksal blieb auch einem zu seiner Zeit bekannten und geschätzten Landsmann nicht erspart, obwohl dessen Ausstellungen bereits um 1900 von hunderttausenden Interessierten besucht wurden: Gemeint ist der Maler Joaquín Sorolla (1863–1923).

Er ist eine Generation jünger als maßgebliche Wegbereiter der modernen Kunst wie Édouard Manet, Claude Monet und Auguste Rodin. Das brachte den Vorzug mit sich, daß Sorolla einige ihrer Vorarbeiten, etwa die Wiederentdeckung Diego Velasquez’ durch Manet, nutzen konnte. 

In Valencia zur Welt gekommen, mit zwei Jahren Vollwaise (die Eltern starben an Cholera), aufgewachsen in einfachen Verhältnissen bei Onkel und Tante, war Sorolla ganz Kind seiner Zeit. Neben einer Ausbildung als Schlosser nahm er Zeichenunterricht und beteiligte sich an vielen künstlerischen Wettbewerben. Anstandslos stellte er sich den Herausforderungen der Salon-Kultur seiner Epoche. Der Aufschwung des immer universelleren Medienwesens um die Jahrhundertwende war für ihn von Vorteil. Auch auf der legendären Pariser Weltausstellung 1900 fehlte er nicht. Später folgten monographische Ausstellungen in Paris, Berlin, Düsseldorf, Köln und London. Außerdem nahm er zwischen 1985 und 1905 wiederholt an der Biennale in Venedig teil.

Die Münchner Ausstellung zeigt 120 Sorolla-Werke aus allen seinen Schaffensphasen. Am Anfang kann der Besucher zunächst ein Selbstporträt des Künstlers bestaunen. Ein ganzer Raum befaßt sich mit Bildern aus dem Pariser Salon-Leben, in welchem er schon vor 1900 präsent war. In dieser Phase gehörte Adolph Menzel zu seinen Vorbildern.

Der Familienmensch zeichnete oft seine Gattin 

Zu seinen bekanntesten Bildern zählen die von den Stränden seines Heimatlandes, allesamt mit prallem Leben erfüllt. Die Darstellungen am Meer sind für den Betrachter erste Triumphe von Sorollas Umgang mit Licht und Farbe. Das vielleicht am meisten beeindruckende Gemälde trägt den Titel „Trauriges Vermächtnis“. Darauf zu erkennen sind Kinder und Jugendliche, die durch Bäder im Meerwasser ihre Leiden lindern wollen. Begleitet werden sie von einem Geistlichen. Die von der Syphilis-Krankheit Gezeichneten sind Opfer der Verfehlungen ihrer Eltern. Die Bedauernswerten werfen ihre Körper zuerst zögerlich, dann lustvoll ins Wasser.

Auch das Seebad Biarritz, in dem seine Frau und die Kinder sich bevorzugt erholten, machte Sorolla wiederholt zu Sujets von Gemälden. Diese Bilder sind nicht zuletzt Ausdruck seines eigenen Wohlstandes, der sich im Laufe der Jahre einstellte. Weitere Naturmotive fand Sorolla unschwer im großen Garten seines großzügigen Madrider Anwesens.

Sorolla war ein Familienmensch. Dementsprechend oft sind Familienmitglieder, vor allem seine Ehefrau, auf seinen Bildern zu sehen. Sie wird öfter Gegenstand von Aktdarstellungen. Auffallend ist der private Blick auf die Gattin und die Tochter, der in dem einfühlsam gestalteten Bild „Mutter“ zum Ausdruck kommt. Es zeigt Clotilde und das dritte Kind in einem geräumigen Bett.

Deutsche Museen besitzen keine Werke von Sorolla

Die Ausstellung verdeutlicht anhand wichtiger Exponate, wie es Sorolla gelungen ist, unterschiedliche künstlerische Strömungen zu verarbeiten. Da sind zum einen die Einflüsse naturalistischer Malerei. Besonders beeindruckend sind viele sozialkritische Motive. Von den diversen Bildern aus diesem Genre stechen „Eine andere Margarete“ (1892) und „Mädchenhandel“ (1894) hervor, die beide einen Blick auf die verbreitete Armut der unteren Bevölkerungsschichten werfen. Zu den Spezifika von Sorollas Vorgehensweise zählen die Konstellationen der schwarzen und weißen Töne, die sich auch im Werk alter Meister wie Franz Hals finden.

Eine andere Frage, die auch in der Ausstellung aufgeworfen wird, lautet: Ist Sorolla als ein Protagonist des Impressionismus einzustufen? Hier kommt es auf die Definition dieser Strömung an, die naturgemäß unterschiedlich ausfällt. Wenn man die Verbindung von Spontaneität und Konvention als eines ihrer Charakteristika betrachtet, muß der Spanier wohl dazugerechnet werden, wenngleich er sich über sie mehrfach abfällig geäußert hat. In Bildern wie „Reflexionen am Kap. Jávea“, „Weißes Boot. Jávea“ und „Die Schwimmer. Jávea“ wird im Versuch, alle Effekte des Wassers in Flecken aus reiner Farbe umzusetzen, seine Abkehr vom Naturalismus deutlich. Die Kuratoren der Ausstellung sprechen unterdessen von einer „geschickten und ganz eigenen Kombination aus naturalistischer Malerei und dem Glanz und der Leuchtkraft des Impressionismus“.

Sorolla zog schon zu Lebzeiten Kritik auf sich. Es fehlt nicht an Hinweisen, die sich an folkloristischen Darstellungen störten. Sie stellen angeblich eine Verzerrung des harten Arbeitsalltages, vor allem in Landwirtschaft und Industrie, dar. Insgesamt jedoch treffen solche Einwände nicht zu, da Sorolla stets die Benachteiligten der Gesellschaft feinfühlig in Augenschein genommen und ihre zahllosen Sorgen festgehalten hat.

Die Schau läßt auch das Verhältnis Sorollas zu Deutschland nicht außer acht. Zu seinen Lebzeiten kauften deutsche Museen einige seiner Meisterwerke. Längst wurden sie freilich wieder veräußert, so daß keine künstlerische Einrichtung hierzulande im Besitz auch nur einer seiner Arbeiten ist – ein Zeichen dafür, daß der „Meister des Lichts“ aus dem kulturellen Gedächtnis der Nation vor längerer Zeit bereits gestrichen wurde. Daß die Wiedererinnerung ein Erfolg wird – daran ist nach der furiosen Münchner Präsentation nicht zu zweifeln.

Die Ausstellung „Joaquín Sorolla – Spaniens Meister des Lichts“ ist noch bis zum 3. Juli in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, in München täglich von 10 bis 20 Uhr zu sehen. Telefon: 089 / 22 44 12

Der Katalog mit etwa 180 Abbildungen in Farbe kostet in der Ausstellung 29 Euro.

 www.kunsthalle-muc.de