© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Kritiker bekommen kein Papier
In Venezuela geht die linke Regierung Maduro hart gegen unabhängige ausländische Medienvertreter vor
Michael Ludwig

Linke Regierungen, die zwar demokratisch gewählt wurden, sich aber auf dem direkten Weg in die Diktatur befinden, gehen mit Journalisten wenig zimperlich um. Blieb diese Spezialbehandlung bislang den Reportern und Kommentatoren einheimischer Medien vorbehalten, hat der venezolanische Regierungschef Nicolás Maduro eine Ausweitung der Kampfzone vorgenommen – bei einer internationalen Pressekonferenz im Miraflores-Palast in Caracas hat er die Korrespondenten spanischer Medien in einer Art und Weise öffentlich angegriffen, die einmalig sein dürfte.

Maduro beschuldigte die Mitarbeiter der einflußreichen Madrider Tageszeitungen El Pais, El Mundo, ABC und La Razón, Komplizen bei der „Vorbereitung einer Aggression gegen Venezuela zu sein.“ Wörtlich erklärte der südamerikanische Präsident: Die Journalisten versuchten „ein Szenario der Gewalt herbeizuschreiben, um eine ausländische Militärintervention zu rechtfertigen. Wir sind das Opfer eines medialen, politischen und diplomatischen Angriffs.“

Um seine Verbalattacken inhaltlich zu untermauern, zitierte er aus einem Kommentar von El Mundo, in dem es hieß, Maduro bringe mit seiner Politik das Land an den Rand einer sozialen Explosion. „Das ist der gleiche Zungenschlag, mit dem die Wortführer der Ultrarechten in Venezuela sprechen und auf diese Weise unser Land bedrohen“, sagte der Regierungschef.

Doch damit nicht genug. Er hob die Titelseiten der Zeitungen in die Höhe und rief: „So spuckt man auf die Wahrheit.“ Dann nannte er die Vor- und Familiennamen der spanischen Auslandskorrespondenten, die für die Berichterstattung verantwortlich zeichneten, um sie an den Pranger zu stellen. Gleichzeitig imitierte er den spanischen Akzent, was witzig erscheinen sollte, doch im Saal nicht sonderlich gut ankam – kaum jemand lachte. Die Pressekonferenz wurde per Videoschaltung in verschiedene venezolanische Konsulate in Spanien überspielt, in denen sich Anhänger Maduros und seines Systems versammelt hatten.

In seinen Ausführungen versuchte Maduro, seine Kritik in einen ihm genehmen Kontext zu stellen. Er fragte, „ob denn Spanien keine Probleme hat? Hat es keine Sorgen mit Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, innerer Sicherheit? Oder ist Spanien ein Paradies?“

Die Ausfälle gegen die ausländische Presse zeigen, wie sehr die Regierung mit dem Rücken zur Wand steht – die innenpolitische Lage ist katastrophal, vor allem was die Versorgung der Venezolaner mit einfachsten Dingen betrifft. Vor den Supermärkten bilden sich lange Schlangen, hin und wieder werden Lastwagen mit Lebensmitteln geplündert, die Inflation läßt weite Teile der Bevölkerung verarmen, und Gewalt auf den Straßen macht den Bürgern schwer zu schaffen. 

Immer wieder gibt es Demonstrationen gegen die Regierung. Neben Korruption und Mißwirtschaft ist es vor allem der Absturz des Ölpreises, der die Wirtschaft des südamerikanischen Landes aus den Angeln hebt. Unterstützung bekommt Maduro nur von der internationalen Linken. Die Linkspartei hat auf ihrem Magdeburger Parteitag gerade erklärt, sie sei „solidarisch mit der Regierung Maduro in Venezuela“.

Seit Maduro vor drei Jahren an die Macht gekommen ist, hat er seinen Plan, die Medien des Landes unter Kontrolle zu bringen, verfolgt. Sein wichtigstes Instrument dabei ist die Papierzuteilung. Regierungskritische Zeitungen erhalten verschwindend geringe Mengen an Druckpapier, so daß einige bereits aufgeben mußten, andere leiden, so El Mundo, „an einer zerstörerischen Magersucht“.

Journalisten leben            gefährlich in Venezuela

Die Chefredaktion von El Mundo, ein konservativ ausgerichtetes Blatt, nannte das Verhalten Maduros typisch für autoritäre Politiker, die stets Sündenböcke bräuchten. Es sei unzulässig, in dieser Form die Presse zu kritisieren. „Einen Journalisten in eine Zielscheibe zu verwandeln, ist ebenso schwerwiegend wie gefährlich. Es darf nicht vergessen werden, daß – laut Reporter ohne Grenzen – Venezuela nach der Ukraine dasjenige Land ist, in dem die meisten Pressevertreter bedroht und angegriffen werden“, heißt es in dem Kommentar. 

El Mundo zeigte sich auch enttäuscht darüber, daß die spanische Regierung die öffentliche Journalistenschelte nicht zurückgewiesen hat. Außenminister José Manuel García-Margallo wurde mit den Worten zitiert, daß „zu denken, ABC oder El Pais könnten das System stürzen, nichts anderes als magischer Realismus ist“. Diese Wortspielerei mit einer Variante südamerikanischer Literatur fand das Blatt dann doch reichlich dünn. „Was wir vermissen, ist der eindringliche Appell, der klarstellt, daß die diplomatischen Regenschirme auch über unserem Korrespondenten aufgespannt werden, so daß er ungefährdet seiner Arbeit nachgehen kann.“

Kritisch merkte die Zeitung ferner an, daß ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Madrider Regierung ihren Botschafter nach Caracas zurückgesandt hat, nachdem er wegen verbaler Ausfälle Maduros gegen den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy vorübergehend abberufen worden war.  Außenminister García-Margallo rechtfertigte dies mit der Notwendigkeit, die 400 000 Spanier, die in Venezuela leben, zu schützen.