© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Eine Welt in Scherben
Einblicke in die „Tagehefte“ des Querdenkers Rolf Stolz
Werner Olles

Der flüchtige Leser mag in den „Tageheften“, in denen Rolf Stolz vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Dezember 2012 Tag für Tag in einem oder mehreren Sätzen festgehalten hat, was ihm wichtig war, zunächst nichts Brisantes entdecken. Tatsächlich ging es dem Autor dabei weder um ein „Wort zum Tage“ noch „ausschließlich um Belehrungen jenseits von Zeit und Raum, sondern um Spiegelungen, Durchblicke und Irrlichter aus einer Welt in Scherben“ (Stolz). 

So werde der Leser „nicht nur handverlesene geschliffene oder rohe Diamanten vorfinden, sondern in der Aufreihung die verschiedensten Edelsteine, Halbedelsteine, buntes Glas und Flußkiesel“. Das klingt verwirrend, doch gründen gerade darin auch die scheinbaren Widersprüche, wenn nämlich hinter den Gedanken eine geharnischte Kritik der Gegenwart sichtbar wird.

„Das Wohlwollen des Kritikers geht auf Kosten der Kunst“, schreibt Nicolás Gómez Dávila und fügt hinzu: „Die fortlaufende Rede tendiert dazu, die Brüche des Seins zu verbergen. Das Fragment ist Ausdruck redlichen Denkens.“ Dávilas apodiktischem und leidenschaftlichem, bisweilen todesmutigem Stil folgt Stolz, der eben kein Reaktionär, sondern eher ein konstruktiver, wenngleich durchaus harter Kritiker des herrschenden Zeitgeistes ist, nicht. 

Dennoch finden sich in seinen Aufzeichnungen bestimmte beim Namen genannte Dinge, die von der „Kunst“ des demokratischen Jahrhunderts bis zu den Mythen des Aufklärungsestablishments reichen. Das geht über den Untergang der Städte, Dörfer, Wälder und Völker ohne Identität bis hin zur Abhängigkeit der Freiheitsideologen von der Selbstverwirklichung ihres falschen und verlogenen Konsumglücks und der Bilanz Europas bei seinem Abtritt von der politischen und kulturellen Weltbühne. So notiert der Autor am 7. Juni 2011: „Scheinbare Güte, die aus Schutzlosigkeit resultiert und aus der Unfähigkeit, zu verletzen und zu töten.“ Und wenige Tage später: „Erstaunlich, daß der Aufstand so lange auf sich warten läßt. Eine Wahrscheinlichkeit erhöht dies auf jeden Fall – die für Ströme von Blut.“ Und passend zur Vita von Stolz: „Wer zu den Feinden flieht, benötigt keine neuen Freunde. Die alten hat er gekannt, als er sie erkannt hatte.“ 

Rolf Stolz: Tagehefte. Heft Eins. Kidemus Verlag, Köln 2016. broschiert, 218 Seiten, 14,30 Euro