© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/16 / 17. Juni 2016

Knapp daneben
Unser Stockholm-Syndrom mit den Beamten
Karl Heinzen

Spitzenbeamte in Ministerien und Behörden mögen sich für wichtig halten. Legt man ihre Dienstbezüge als Maßstab für den Wert ihrer Arbeit zugrunde, läßt sich jedoch erkennen, daß dieser nicht allzu hoch sein kann: Jeder zweitrangige Manager eines mittelständischen Unternehmens verdient heute mehr.

Die Geringschätzung des Beamtenberufs hat einen guten Grund. Die Wertschöpfung wird einzig und allein von der privaten Wirtschaft geleistet. Der Staat hingegen versteht es als seine Aufgabe, sie dabei im Namen übergeordneter Zielsetzungen zu gängeln und das von ihr Erwirtschaftete zu unproduktiven Habenichtsen umzuverteilen. Beamte sind seine Schergen bei diesem Raubzug, und sie dürfen dafür einen Teil der Beute einstreichen. Ihre Gier scheint damit aber immer noch nicht gestillt zu sein. Allein in den Bundesministerien verdienen sich Jahr für Jahr über tausend Beamte ein Zubrot, indem sie ihre Weisheiten in Vorträgen oder Publikationen zum besten geben.

Richtig wäre es, das, was die Funktion einer Bestechung erfüllen soll, auch als eine solche ausüben zu dürfen.

Was Konferenzveranstalter oder Verlage dazu bewegt, für Bürokratengestammel Geld aus dem Fenster zu werfen, kann nur vermutet werden. Fest steht allein, daß es nicht die Aussicht auf intellektuelle Höhenflüge sein kann. Letztlich dürfte es sich um eine Variante des Stockholm-Syndroms handeln. Opfer reden sich ein, daß die Täter eine akzeptable Zielsetzung verfolgen, und kooperieren mit ihnen, weil sie sich davon eine mildere Behandlung versprechen. Folgerichtig sind es Beamte aus dem Finanzministerium, deren Dienste am meisten gefragt sind.

So unappetitlich diese Praxis auch ist, so fatal wäre es, sie, wie es Hypermoralisten wie Wolfgang Schäuble oder den Grünen vorschwebt, zu unterbinden, indem man Beamten Nebenverdienste untersagt, die sich aus ihren dienstlichen Aufgaben ableiten. Richtig wäre es, das, was die Funktion einer Bestechung erfüllen soll, auch wie eine Bestechung ausüben zu dürfen. Die Investitionen, die man in das Wohlwollen von Beamten zu leisten hätte, wären die gleichen, aber man könnte es sich wenigstens ersparen, auch noch ihren Ausführungen Aufmerksamkeit schenken zu müssen.