© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

Marc Jongen. Der Sloterdijk-Schüler wird als Parteiphilosoph der AfD gehandelt
Der Vordenker
Wolfgang Kaufmann

Im April 2015 schrieb der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem Essay „Letzte Ausfahrt Empörung“: „Mit einem Mal steht er wieder auf der Bühne – der thymotische Citoyen, der selbstbewußte, informierte, mitdenkende und mitentscheidungswillige Bürger (…) und klagt vor dem Gericht der öffentlichen Meinung gegen die mißlungene Repräsentation seiner Anliegen.“ Damit hat er wohl den typischen Anhänger der Alternative für Deutschland beschrieben, der mit Wut, Mut und Stolz – eben das, was das griechische Wort Thymos meint – gegen die Altparteien anrennt. Zugleich will Sloterdijk aber nichts mit dem „AfD-Ideen-Müll“, wie er es angewidert nennt, zu tun haben.

Ganz anders hingegen sein früherer Assistent Marc Jongen, der als Dozent für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe tätig ist und zugleich als Vize-Sprecher und Programmkoordinator des AfD-Landesvorstandes Baden-Württemberg sowie Mitglied der Bundesprogrammkommission seiner Partei fungiert. Jongen – der sich zum aktuellen Führungsstreit in der Partei nicht äußern will und dem AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon Antisemitismus attestiert – vertritt die Ansicht, Deutschland werde von Massen „hochthymotischer“ moslemischer Einwanderer überrannt, worauf viele Deutsche mit Unterwerfung reagierten – weshalb inzwischen die „existentielle Großgefahr eines Verschwindens der deutschen Kultur“ bestehe. Und die AfD sei Sammelbecken der noch thymos- also empörungsfähigen Bürger mit Sinn für Selbstbehauptung. 

Solche Aussagen, welche der 1968 in Südtirol geborene Jongen in einem Buch vertiefen will, das er als „Manifest des Avantgarde-Konservatismus“ ankündigt, tragen ihm den Ruf des „Parteiphilosophen der AfD“ ein. Dabei scheint es freilich nach dem bisher Geäußerten, als ob Jongen eher wissenschaftliche Begründungen für die Unerläßlichkeit der Existenz der AfD liefern wird als Ideen, welche das dauerhafte programmatische Fundament dieser Partei bilden könnten.

Dennoch löste das Engagement des Sloterdijk-Schülers die üblichen zivilgesellschaftlichen Reflexe aus. So starteten einige seiner Kollegen – selbstverständlich mit geflissentlicher Unterstützung der linksorientierten „Studierendenschaft“ – eine karrierevernichtend angelegte Kampagne gegen Jongen. Den Startschuß hierzu gab der Kunsthistoriker Beat Wyss, der Jongen in der Zeit vorwarf, das „akademische Feigenblatt“ für eine „rechtsnationale Splitterpartei mit Verbindungen in die Neonazi-Szene“ abzugeben.

Und tatsächlich knickte die Karlsruher Hochschule ein und entband Jongen von allen „leitungsrelevanten Tätigkeiten“; zudem wurde der AfD-Kader, dessen Vertrag auf Betreiben Sloterdijks entfristet worden war, auch als Herausgeber der Schriftenreihe HfG Forschung abgelöst.