© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/16 / 24. Juni 2016

Nachschub auf Sehrohrtiefe
Deutsche Handels-U-Boote im Sommer 1916
Jürgen W. Schmidt

Ich will verdammt sein, hier ist sie“, sagte völlig überrascht ein Lotse, als er am 9. Juli 1916 an Bord des deutschen Handels-U-Boots „Deutschland“ ging, um es sicher in den Hafen von Baltimore zu geleiten. 25 Tage war das Schiff unter Kapitän Paul König unterwegs gewesen und hatte dabei 4.250 Seemeilen, 90 Seemeilen davon unter Wasser, zurückgelegt. 

Nach Amerika transportierte jenes damals größte U-Boot der Welt Farbstoffe und Arzneimittel, gefragte Spitzenprodukte der deutschen chemischen Industrie, und brachte am 23. August 1916 Hunderte Tonnen Naturkautschuk, Zinn und Nickel in seinen Laderäumen nach Deutschland zurück. Schon der Gewinn der ersten Fahrt war höher als die Baukosten des U-Boots. Allerdings ging das Schwesterschiff „Bremen“ kurz darauf auf seiner Jungfernfahrt aus bis heute ungeklärten Ursachen verloren. 

Ab 1917 nur mehr militärische Aktionen 

Die „Deutschland“ hingegen unternahm noch eine weitere erfolgreiche Amerikafahrt, wobei ein regulärer Postdienst zwischen Deutschland und den USA aufgenommen wurde. Eine bevorstehende dritte Fahrt verhinderte der unmittelbar bevorstehende Kriegseintritt der USA im Frühjahr 1917. Das bislang unter der deutschen Handelsflagge verkehrende U-Boot ging nunmehr als U-155 in den Bestand der Kriegsflotte über. Obwohl nicht als militärisches U-Boot konzipiert, bewährte sich der neue U-Kreuzer nach dem Umbau. 

Unter Kapitänleutnant Karl Meusel lief das Schiff am 23. Mai 1917 zur ersten Feindfahrt aus, welche weit in den Atlantik hinein führte. In 106 Tagen versenkte man 19 Schiffe mit 53.305 BRT und zerstörte mit der Bordartillerie die Hafenanlagen von Ponta Delgada auf den zu Portugal gehörenden strategisch wichtigen Azoren. Nach weiteren Feindfahrten mußte U-155 nach Kriegsende 1918 an England abgegeben werden, wo man das bemerkenswerte Schiff zuerst eifrig studierte, danach öffentlich als Ausstellungsstück präsentierte und es schließlich ab 1921 abwrackte.